Polizeikosten für Hochrisikospiele: Wer zahlt jetzt? Aktuelle Stunde 14.01.2025 42:24 Min. UT Verfügbar bis 14.01.2027 WDR Von Henry Bischoff

Hochrisikospiele: Reul will NRW-Vereine erst mal nicht zahlen lassen

Stand: 14.01.2025, 18:34 Uhr

Fußballvereine dürfen an den hohen Kosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen beteiligt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. In NRW ist das bisher nicht vorgesehen.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) ist im Streit um eine Beteiligung der Dachorganisation an den Polizeikosten für Hochrisikospiele am Bundesverfassungsgericht gescheitert. Ihre Verfassungsbeschwerde gegen eine entsprechende Regelung aus Bremen blieb ohne Erfolg, wie der Erste Senat am Dienstag in Karlsruhe verkündete.

Die angegriffene Norm sei mit dem Grundgesetz vereinbar, erklärte Gerichtspräsident Stephan Harbarth in der Urteilsverkündung. Ziel der Regelung sei es, die Kosten auf denjenigen zu verlagern, der sie zurechenbar veranlasst habe und bei dem die Gewinne anfallen. Das sei ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel.

Land darf Mehrkosten in Rechnung stellen

Als Hochrisikospiele werden Partien bezeichnet, bei denen besonders mit Auseinandersetzungen zwischen den Fanlagern gerechnet wird - zum Beispiel bei Derbys. Im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz ist seit 2014 festgehalten, dass die Stadt bei gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen Gebühren für polizeiliche Mehrkosten erheben kann.

Den ersten Gebührenbescheid bekam die DFL im Jahr 2015 - damals zu einer Bundesliga-Partie zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV. Rund 400.000 Euro stellte der Stadtstaat Bremen der DFL für die Polizeikosten in Rechnung. Weitere Bescheide folgten - insgesamt wurden knapp zwei Millionen Euro in Rechnung gestellt.

Weiteres Vorgehen der Länder noch unklar

Sollte sich das Bremer Modell nach der Entscheidung der obersten deutschen Richter auch in den anderen Bundesländern durchsetzen, kämen auf die Profivereine erhebliche finanzielle Mehrbelastungen zu. Berlin und Brandenburg kündigten nach dem Urteil an, keine zusätzlichen Gebühren erheben zu wollen. Andere Länder wie Hamburg oder Hessen sprachen sich für ein bundeseinheitliches Vorgehen aus.

Reul: "Es läuft nicht zufriedenstellend."

Angriffe auf Einsatzkräfte | Bildquelle: Christoph Reichwein/dpa

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zeigte sich von dem Urteil nicht überrascht. Es stelle nun klar, dass es erlaubt sei, Geld bei den großen Vereinen zu kassieren. "Ich bin persönlich nach wie vor der Meinung, wir sollten es nicht tun. Allerdings wird das nur zu halten sein, wenn auch die großen Fußballklubs endlich dafür sorgen, dass in ihren Stadien Ruhe und Ordnung herrscht. Und das läuft nicht zufriedenstellend."

Fehlverhalten in den Stadien könnten nur die Vereine lösen. Aber: "Für mich ist klar: Nach diesem Urteil könnten wir bei Hochrisikospielen die Vereine zur Kasse bitten. Und wenn sie das nicht wollen, müssen sie liefern und mehr Maßnahmen ergreifen als bisher", sagte Reul.

NRW-SPD will bundeseinheitliche Lösung

Die NRW-SPD fordert nun eine bundesweit einheitliche Lösung mit der DFL. "Die Arbeitsbelastung der nordrhein-westfälischen Polizei aufgrund von Fußballspielen in NRW lag in der Saison 2023/24 bei rund 565.000 Stunden. Dies entspricht einem rechnerischen Stellenanteil von etwa 434 Beamten", sagte Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

"Angesichts des Milliardengeschäfts Profi-Fußball muss Innenminister Herbert Reul nun mit seinen Amtskollegen aus den anderen Ländern klären, inwieweit sich die Deutsche Fußball Liga GmbH an den Kosten in Höhe von mehr als 20 Millionen Euro allein in NRW beteiligen möchte", sagte Kampmann.

FDP befürwortet Karlsruher Urteil

"Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ein wichtiger Schritt, um die Prinzipien von Eigenverantwortung und Kostenfairness zu stärken", sagte Christof Rasche, sportpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion.

Es sei angemessen, dass Fußballvereine, die durch Hochrisikospiele erhebliche Einnahmen generieren, auch einen Beitrag zu den entstehenden Sicherheitskosten leisten. Wichtig sei jedoch, dass kleinere Vereine nicht durch unverhältnismäßige Kosten in ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt werden.

In der Saison 2022/2023 gab es insgesamt 52 Hochrisikospiele in den ersten beiden Ligen. In der Saison 2023/2024 fielen dort insgesamt knapp 1,6 Millionen Polizei-Arbeitsstunden an. Das entspricht der Arbeitszeit von etwa 1.220 vollzeitbeschäftigten Polizeibeamten.

Mäurer schlägt Fonds vor - DFL lehnt dies ab

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer unterstrich seinen Wunsch nach einer bundesweiten Fondslösung. "Die Profiliga zahlt in einen Fonds ein und die Polizeien des Bundes und der Länder werden dann nach dem Aufwand abgerechnet", erklärte der SPD-Politiker.

Hans-Joachim Watzke. | Bildquelle: dpa/Jürgen Kessler

Die DFL-Spitze lehnt diesen Vorschlag allerdings ab. Die Verantwortung müssten die einzelnen Landesregierungen tragen, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Watzke.

"Es wird nicht so kommen, dass die Klubs aus den Bundesländern, in denen diese Kosten nicht erhoben werden, in einen Solidartopf einzahlen." Hans-Joachim Watzke, Aufsichtsratsvorsitzender der DFL

Kritik von DFL, DFB und Fan-Bündnis

Das Fanbündnis "Unsere Kurve" reagierte mit Fassungslosigkeit auf das Urteil. "Nach unserer Auffassung und im Einklang mit den Ansichten unzähliger Fachleute ist die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit und Ordnung eine Kernaufgabe des Staates." Diese sei aus Steuermitteln zu erfolgen, die der Profifußball in Höhe von etwa 1,6 Milliarden Euro pro Jahr bereits leiste, so das Bündnis.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) zeigte sich "natürlich enttäuscht". Über mögliche Folgen wolle man momentan nicht spekulieren. Werder Bremen fürchtet einen Wettbewerbsnachteil. "Wir wünschen uns die Solidargemeinschaft der Liga und eine faire Verteilung der Kosten", sagte Tarek Brauer, Geschäftsführer Organisation und Personal bei Werder.

Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) fürchtet einen "Wettbewerbsnachteil für den Fußballstandort Deutschland und schätzt drohende Gebührenbescheide für viele Vereine - vor allem in der 3. Liga und der Regionalliga - als potenziell "existenzgefährdend" ein.

"Dass der Fußball jetzt auch die Mehrkosten für die Sicherheit im öffentlichen Raum tragen soll, auf den er gar keinen Einfluss hat, halten wir für nicht richtig." Stellungnahme des DFB

DFL lehnt Gebührenerhebung ab

Die DFL hielt die Rechnungen der Stadt Bremen für verfassungswidrig und damit nichtig - und zog vor Gericht. Nach Ansicht der Dachorganisation für die 1. und 2. Bundesliga fehlte es an einer abgrenzbaren, ihr zurechenbaren Leistung der Stadt Bremen. Die sei aber verfassungsrechtliche Voraussetzung für eine rechtmäßige Gebührenerhebung. Außerdem seien einzelne Störer für den erforderlichen Polizeieinsatz verantwortlich - und nicht die Organisatoren.

Mit dem umstrittenen Thema hatten sich in den vergangenen Jahren schon mehrere Gerichte befasst. In der ersten Instanz hatte die Klage der DFL Erfolg - das Verwaltungsgericht Bremen erklärte die Gebührenerhebung 2017 für rechtswidrig, unter anderem weil die Berechnungsmethode zu unbestimmt sei.

Ein Jahr später wurde das Urteil aber vom Oberverwaltungsgericht Bremen aufgehoben, das die Gebührenforderung wiederum für rechtens hielt. 2019 wurde diese Entscheidung vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt.

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagenturen SID und dpa
  • Stellungnahme des Innenministeriums im Vorfeld des Urteils
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