Wenn am kommenden Wochenende viele Menschen in NRW das schöne Wetter nutzen, um die Grill-Saison zu eröffnen, sollte laut dem designierten Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) vor allem Fleisch auf den Tellern landen. Wenn es nach dem gelernten Metzgermeister aus Bayern geht, könnte der Fleischpreis unter der schwarz-roten Koalition womöglich sogar sinken. "Ich bin ein großer Freund der sozialen Marktwirtschaft", so Rainer im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung. "Das bedeutet: Fleischpreise macht nicht der Minister sondern der Markt."
Damit spielt er auf seinen Vorgänger an, den noch geschäftsführenden Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), der während seiner Amtszeit die Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent ins Spiel brachte. Da diese Forderung nicht umsetzbar war, hatte sich Özdemir zuletzt für eine neue Abgabe auf Fleisch in Höhe von zehn Cent pro Kilo stark gemacht.
Sein Nachfolger schließt eine solche Steuererhöhung jedoch aus. Stattdessen will sich Rainer dafür einsetzen, dass auf den Speiseplänen von Kitas und Schulen wieder häufiger Fleisch steht.
Ernährungsforscherin: Genug Fleisch an Kitas und Schulen
"Unter gesundheitlichen Aspekten wäre das alles andere als sinnvoll", sagt dazu Melanie Speck, die am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie zu nachhaltigen Ernährungssystemen forscht. Schon jetzt sei es so, dass Kinder und Jugendliche häufig das zwei- bis vierfache an Fleisch und Wurst essen, was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt.
"Niemand will in Schulen und Kitas Fleisch verbieten. Mehr Angebot wird dort aber absolut nicht gebraucht." Melanie Speck, Senior Researcherin am Wuppertal Institut
Gerade mit Blick auf die gesundheitlichen Folgen rät sie davon ab. "Seit Jahren ist bekannt, dass übermäßiger Fleischkonsum unter anderem krebserregend sein kann", sagt Speck.
Fleischproduktion und -konsum zieht Folgekosten nach sich
Die Behandlung dieser Krankheit, aber auch von Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Typ-2-Diabetes, ist auch ein Kostenfaktor. So kommt eine Studie, die das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) für die Umweltschutzorganisation Greenpeace durchgeführt hat, zu dem Ergebnis, dass Gesundheitskosten in Höhe von gut 16 Milliarden Euro durch den übermäßigen Konsum von rotem Fleisch, Schinken und Wurst entstehen könnten.
Nicht nur deshalb empfindet der Geschäftsleiter des BUND NRW den Vorstoß von Alois Rainer als "aus der Zeit gefallen". "Wir wissen alle seit langem, dass die Landwirtschaft und die Massentierhaltung einer der größten Treiber der Klimakrise ist", sagt er. Laut der FÖS-Studie zieht die Fleischproduktion in Deutschland jedes Jahr 21 Milliarden Euro Kosten durch Umwelt- und Klimaschäden nach sich.
Jansen bezeichnet die Idee aber auch noch aus einem anderen Grund als "hanebüchen". "Seit Jahren wirft vor allem die CSU den Grünen vor, eine Verbots-Partei zu sein", sagt er. "Und jetzt will Herr Rainer quasi per Dekret den Fleischkonsum an Kitas und Schulen vorschreiben." Jansen ist jedoch der Meinung, dass die meisten Menschen sich durch so etwas nicht beeinflussen lassen. Das lasse sich schon allein daran ablesen, wie die Zahl der Vegetarier und Veganer in den vergangenen Jahren gestiegen sei.
Fleischkonsum in Deutschland seit drei Jahren auf selbem Niveau
Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse aßen im Jahr 2024 8,43 Millionen Menschen in Deutschland kein Fleisch. Weitere 1,47 Millionen verzichteten als Veganer sogar komplett auf tierische Produkte. Vor zehn Jahren lag die Zahl der Vegetarier noch bei 5,36 Millionen, die der Veganer bei 850.000.
Zu diesen Zahlen passt auch der Rückgang des Fleischkonsums. Nach Informationen des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) hält sich der Konsum von Fleisch zwar seit etwa drei Jahren auf dem selben Niveau, in den Jahren davor war er aber kontinuierlich gesunken. So aß im vergangenen Jahr jeder Mensch in Deutschland im Schnitt etwa 53 Kilogramm Fleisch. 2015 waren das noch etwa acht Kilogramm mehr.
Melanie Speck vom Wuppertal Institut wundert das nicht. "Dass den Menschen in Deutschland mittlerweile viel bewusster ist, wie Gesundheit, Umweltschutz und Tierhaltung zusammenhängen, wurde bereits während des ersten Bürgerrats 2024 deutlich", sagt die Forscherin, die dem Gremium als Expertin angehörte. In der Empfehlung, die der Bürgerrat nach Abschluss veröffentlichte, findet sich unter anderem die Forderung nach einer Tierwohlabgabe.
Sollte diese nicht beschlossen werden, schlägt der Bürgerrat vor, Fleischprodukte aus den niedrigeren Haltungsformen 1 und 2 mit 19 Prozent zu besteuern. Für die Haltungsformen 3, 4 und bio hingegen soll demnach weiter der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gelten.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- Interview mit Melanie Speck vom Wuppertal Institut
- Interview mit Dirk Jansen vom BUND NRW
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
- Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse 2024
- "Bild"-Zeitung vom 30.04.2024
- Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace zu verwsteckten Kosten der Ernährung
Über dieses Thema berichten wir am 30.04.2025 auch im WDR Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.
Kommentare zum Thema
Die Regierung besteht nur aus Lobbyisten und verdrehten Rechtskonservativen. Was soll man da erwarten? Die Umwelt ist ihnen völlig egal, die Gesundheit der Menschen auch. Wenn man das Budget der Schulkantinen bedenkt, wird auch klar, dass nur billigstes, minderwertiges Fleisch dort landen würde, wenn es nach dem Plan des designierten Ministers ginge. Was für ein gewissenloser Widerling, der nur an seine großindustriellen Mastbetriebe denkt!
Das war ja zu erwarten, dass ein Landwirtschaftsminister zu mehr Fleischkonsum animiern will. Hauptsache bei den Bauern stimmt die Kasse, die Folgen sind egal. Ich hatte einiges von der neuen Regierung erwartet, vor allem, dass sie sich nicht wieder unglaubwürdiht präsentiert. Weit gefehlt. Was kommt als nächstes? Zurück zum Benziner, alle Kohlekraftwerke wieder in Betrieb nehmen, die Gammelfleichproduktion wird gefördert und Rentner sollen gefälligst schnell sterben, um die Rentenkasse zu entlasten. Dafür dürfen die Jüngeren dann bis 80 arbeiten.
Einmal abgesehen davon, dass der Kommentator Recht hat, der die ständig einseitige "Berichterstattung" des WDR tadelt, wäre es qualitativ guter Journalismus, die vielen "könnte" und "kann"-Studien einmal zu hinterfragen. Aber auch das kann der WDR - wie viele andere Sender und Zeitungsredaktionen - nicht. Schade eigentlich. Aber vielleicht scheitert das ja auch bereits in der Journalistenausbildung?