Landwirt Severin Hogen hatte eigentlich auf eine gute Ernte gehofft in diesem Jahr. Doch der ständige Starkregen im Juli machte ihm einen Strich durch die Rechnung. NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen kam am Montag auf den Hof der Hogens, um die Erntebilanz des Jahres zu präsentieren.
Vor einer großen Halle stehen die Ministerin und Karl Werring, Präsident der Landwirtschaftskammer NRW. In der Halle lagert ein großer Berg Weizen, aus dem Brot und Brötchen gebacken werden sollen. Nebenan steht eine weitere Halle, darin an anderer, ähnlich großer Berg aus geernteten Weizenkörnern: Doch dieses Getreide taugt nur noch als Tierfutter.
Die Ministerin sagt, dieses Jahr sei die Ernte so schwierig wie zuletzt vor 63 Jahren. Im Erntejahr 1960 war es wohl ähnlich problematisch. Der Klimawandel macht den Bauern zu schaffen: "Es gibt immer mehr Starkregenereignisse, länger andauernde und extremere Hitze, das Grundwasser füllt sich nicht auf, das macht mir Sorge", sagt Landwirtin Lydia Heinke dem WDR. So auch 2023: "Erst war es zu heiß und zu trocken, dann hat es in einer Tour durchgeregnet."
Bauernverband: "Die Nerven lagen blank"
"Die Nerven lagen blank", sagte Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) schon vor einigen Tagen bei der Pressekonferenz zur Erntebilanz 2023 in Berlin. "Es war eine Zitterpartie", die Bauern hätten wie in einem Bauernsprichwort "die Ernte vom Feld stehlen" müssen.
Rukwied spielt auf die sehr lange andauernde nasse Phase an. Und tatsächlich trieb der viele Regen den Bauern auch in NRW die Sorgenfalten auf die Stirn. "Vor allem wichtige Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Triticale sind im Erntefortschritt weit hinterher", sagt Daniel Kisker vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband im Gespräch mit dem WDR. Triticale ist eine Kreuzung zwischen Weizen und Roggen. "Das bereitet den Bauern schon Bauchschmerzen. Die Starkregenereignisse haben die Erträge geschmälert. Das Getreide hat sich hingelegt und ist schwer zu ernten", so Kisker.
Vielfältige Probleme beim Getreide
Das bestätigt der Landwirt Philipp Pelzer aus Rahden. "Das Korn ist in der Ähre ausgewachsen und konnte nicht mehr gedroschen werden. Diese Stellen waren ein Totalausfall, das waren aber nicht einmal zwei Prozent der gesamten Fläche an Getreide", ordnet er für den WDR ein. Dennoch habe sich die Getreideernte "extrem nach hinten verzögert und ist zudem verpilzt. Diese Pilze haben sich aus der Stärke der Pflanze ernährt und das hat die Erntequalität gemindert", erklärt der Landwirt eines Familienbetriebs.
"Weizen darf nicht feucht gelagert werden", so Jan-Malte Wichern von der Landwirtschaftskammer NRW, er würde sonst verschimmeln. Die Bestände, die Bodenkontakt hatten, seien nicht mehr nutzbar. Generell fehlt großen Teilen des Weizens die sogenannte Backqualität. "Der Weizen hat auf dem stehenden Halm gekeimt, damit kann er nicht mehr als Backweizen dienen", sagt Rukwied: "Er findet seine Verwertung nun im Futtertrog oder wird energetisch genutzt." Auch der Proteingehalt des Weizens könne niedriger sein, mutmaßt Kisker. Die Getreideernte drücke schon auf die Stimmung der Landwirte. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 43 Millionen Tonnen Getreide geerntet, in diesem Jahr sei es fraglich, ob die 40 Millionen-Tonnen-Marke erreicht werde.
Was macht das mit dem Brotpreis?
Wird dann das Brot teurer? Laut Bauernpräsident Rukwied ist die Lage stabil. Frankreich und Österreich hätten sehr gute Ernten eingefahren, Spanien und Deutschland eher nicht. "Die EU ist in der Lage, sich selbst zu versorgen", sagt er und spricht von einem stabilem Preisniveau. Auch NRW-Ministerin Gorißen ist sicher, dass sich niemand Sorgen um sein täglich Brot oder Brötchen machen muss. Zwar müsse in diesem Jahr mehr als sonst auch aus dem Ausland hinzugekauft werden. Aber das sei machbar.
Wintergerste noch vor dem großen Regen geerntet
Gut sieht es bei der Wintergerste aus. "Die konnte noch vor dem großen Regen eingefahren werden", erläutert Kisker. Auch bei Mais und Zuckerrüben sieht es nicht schlecht aus. "Beim Mais können wir von guten Erträgen sprechen", schätzt Wichern ein. "Mais und auch Zuckerrüben haben von den Wasservorräten im Boden gut zehren können. Die brauchen jetzt aber Sonnenstunden, damit das Wasser umgesetzt werden kann." Die Ausgangslage für die Ernte sei aber gut. "Der Mais kommt gut mit der Feuchtigkeit klar. Und im nördlichen NRW gab es kaum Starkregen und keinen Sturm, das hat geholfen", so Kisker.
Kartoffelernte "ein schmaler Grat"
Kartoffeln sind jetzt schon sehr teuer und die Preise werden kaum sinken. "Es besteht eine große Nachfrage nach Kartoffeln, die wir kaum bedient werden können", glaubt Kisker. Im Frühling gab es durch die anhaltenden Regenfälle starke Verzögerungen bei der Aussaat, auch jetzt können viele Bauern mit ihren schweren Maschinen nicht auf die aufgeweichten Äcker. Zudem habe das feuchte Wetter Fäulnisbefälle erzeugt. Auch Staunässe bekomme den Knollen nicht. "Es ist ein schmaler Grat bei der Kartoffelernte", fasst Wichern zusammen.
Auch Bauernpräsident Rukwied sieht die Herausforderungen durch den Klimawandel. Es gebe mehr und mehr lang anhaltende Wetterlagen.