Viele schwangere Frauen müssen fürchten, in ihrem Beruf benachteiligt zu werden. Aber gerade im Spitzensport enden viele Karrieren mit dem Kinderwunsch ganz. Genau das fürchtet auch Para-Schwimmerin Elena Semechin: Die dreifache Weltmeisterin machte Ende März öffentlich, dass sie und ihr Ehemann das erste gemeinsame Kind erwarten. Jetzt hat ein Sponsor die Finanzierung pausiert, ein anderer ist ganz abgesprungen. Der Grund: ihre Schwangerschaft, vermutet Semechin.
"Da macht man sich schon Sorgen und überlegt sich, wie ich weiter meinen Profi-Sport ausüben kann oder sogar meine Karriere an den Nagel hängen muss", sagt die Weltmeisterin im WDR-Interview.
Sponsoring für viele die einzige Einnahmequelle
Das Problem: Sportlerinnen und Sportler zahlen einen großen Teil ihrer Rechnungen mit Sponsoring-Verträgen großer Firmen. Für diese machen sie Werbung und sind oft Gesicht der Marke. Ohne solche Deals stünden viele ohne ein Einkommen da. Besondere Regeln im Falle einer Schwangerschaft werden bei den Vertragsverhandlungen kaum berücksichtigt – außer vielleicht das frühzeitige Vertragsende.
"Vielleicht machen sich die Sponsoren Sorgen, ob ich erfolgreich zum Sport zurückkehre", fragt sich Semechin. Dabei plant sie, nach der Geburt ihres Kindes bei den Paralympics 2028 in Los Angeles zu starten. "Als Mutti, warum nicht? Kann man mal versuchen."
Abgesprungenen Sponsoren bleiben ungenannt
Welche Sponsoren der Weltmeisterin den Rücken gekehrt haben sollen, möchte Semechin nicht verraten. "Vielleicht steigt einer der Partner ja wieder ein. Und da würde ich mir wahrscheinlich selber ins eigene Fleisch schneiden, wenn ich dazu öffentlich was sagen würde."
Werdende Mütter in der Schwangerschaft und der Elternzeit zu unterstützen, sei eine gesellschaftliche und politische Aufgabe, sagt Christoph Lütge. Er ist Professor für Wirtschaftsethik an der Technischen Universität München und Mitglied von "Sponsors' Voice" - einem Zusammenschluss großer Sport-Sponsoren. Die Unternehmen sieht er weniger in der Pflicht.
Regeln für Unternehmen abschreckend
"Wir leben in einer Marktwirtschaft. Wir müssen die Unterstützung von Schwangerschaften und Kinderbetreuung ja irgendwie finanzieren. Das kann den Unternehmen nicht zugemutet werden, insbesondere, wenn es um Sponsoring geht und nicht um Verträge von Festangestellten." Er glaubt nicht, dass konkretere Regeln für die Unternehmen umsetzbar wären. "Das würde Sponsoren glaube ich eher abschrecken."
Einige Sponsoren erhalten die Finanzierung ihrer Sportlerinnen aber auch während der Schwangerschaft. So warb Fußballnationalspielerin Melanie Leupolz für Sportumstandsmode von adidas.
So geht Norwegen mit schwangeren Top-Sportlerinnen um
Dass eine Schwangerschaft, Spitzensport und berufliche Sicherheiten auch vereinbar sind, zeigt eine Neuerung für Fußballerinnen in Norwegen: Schwangeren Top-Spielerinnen wird sofort und automatisch eine Vertragsverlängerung um ein Jahr angeboten. Ligachefin Marianne Solheim will damit ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich niemand mehr zwischen Karriere und Schwangerschaft entscheiden muss.
Unsere Quellen:
- Interview mit Elena Semechin
- Interview mit Christoph Lütge
- Nachrichtenagenturen dpa und SID