Anwohner und Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk bilden eine Menschenkette

50.000 Sandsäcke schleppen in Hamm: "Danke, danke, danke!"

Stand: 26.12.2023, 18:26 Uhr

Das Weihnachtsfest hatten sich viele in NRW anders vorgestellt. Anwohner von reißenden Bächen und Flüssen sind besorgt, Einsatzkräfte sind im Dauereinsatz. Auch in Hamm-Mark packen sie gemeinsam an, um sich vor dem Hochwasser zu schützen.

Von Stefan Erdmann

Weihnachten hat Sieglinde Tolkemitt im Keller verbracht, bis zu den Knöcheln stand sie mit ihrem Mann Horst im Wasser. "Wir hatten bisher noch nicht mal die Zeit, um die Weihnachtsgeschenke einer Freundin auszupacken", sagt sie. Seit Freitagnacht habe sie nur fünf Stunden geschlafen: "Ich mache mir einfach zu viele Sorgen."

Keine Zeit zum Auspacken der Geschenke

Das Ehepaar Tolkemitt wohnt seit gut 45 Jahren in Hamm-Mark, in der Soester Straße. Hinter den Gärten der Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite verläuft der Deich. Er schützt das Viertel vor den jetzt reißenden Fluten der normalerweise zierlichen Ahse, einem Nebenfluss der Lippe.

Danke, danke, danke, danke! Das kann man gar nicht oft genug sagen. Auch die opfern ja ihr Weihnachtsfest für uns – Tag und Nacht. Anwohnerin Sieglinde Tolkemitt bedankt sich bei den Einsatzkräften

Zeit zum Auspacken der Geschenke bleibt ihnen auch deshalb nicht, weil sie mit weiteren Nachbarn als freiwillige Helfer die Einsatzkräfte unterstützen. Das geht ohne jegliche Vorerfahrung: Sandsack von rechts entgegennehmen, Sandsack nach links weitergeben. 50.000 Säcke sind so schon auf dem Deich gelandet, der zuvor in der Nacht an einigen Stellen Löcher bekommen hatte.

 Annalisa Quast (links) und Sieglinde Tolkemitt

Annalisa Quast (links) und Sieglinde Tolkemitt

"Wir sind frustriert, wir mussten unseren Holland-Urlaub noch vor der ersten Nacht abbrechen", sagt eine Nachbarin der Tolkemitts, Annalisa Quast. Auch sie hilft beim Säckeschleppen. "Wir sind erschöpft, aber wir sind auch unendlich dankbar, dass diese ganzen Menschen hier kommen und uns vor dem Wasser schützen." Sie deutet dabei in Richtung der hunderten Feuerwehrleute und Kräfte des Technischen Hilfswerks. Und Sieglinde Tolkemitt ergänzt immer wieder im Verlauf des Gesprächs: "Danke, danke, danke, danke! Das kann man gar nicht oft genug sagen. Auch die opfern ja ihr Weihnachtsfest für uns – Tag und Nacht."

Traditionelle Rouladen von Opa müssen warten

So wie Mathis Runtemund und Robin Kirchhoff. Die beiden freiwilligen Feuerwehrmänner sind aus Bochum angerückt. Um kurz nach halb sieben am Morgen klingelte der Einsatzmelder. Seitdem schleppen auch sie Säcke, unterbrochen von kurzen Pausen für Erbsensuppe mit Bockwurst aus der Gulaschkanone und Apfelschorle aus kleinen Plastikflaschen.

Mathis Runtemund packt mit an.

Mathis Runtemund packt mit an. Der Freiwillige Feuerwehrmann aus Bochum wäre eigentlich mit seiner Freundin bei seinen Schwiegereltern zum Weihnachtsfest verabredet gewesen.

"Ich durfte mir von meiner Freundin heute Morgen schon ein bisschen was anhören, aber auch sie wird damit umgehen können", erzählt Mathis Runtemund. Er war eigentlich bei den Schwiegereltern eingeladen. "Aber bis wir fertig sind, geduscht und wieder zurück in Bochum, gibt es höchstens noch ein Mitternachtsbierchen bei der Familie", so der freiwillige Feuerwehrmann.

Robin Kirchhoff (ganz links) und seine Kollegen der Bochumer Feuerwehr

Robin Kirchhoff (ganz links) und seine Kollegen der Bochumer Feuerwehr unterstützen die Hammer Einsatzkräfte seit dem Morgen, erst gegen 22 Uhr treten sie den Rückweg ins Ruhrgebiet an.

Für seinen Kollegen Robin Kirchhoff ist es das erste Weihnachtsfest mit Großeinsatz: "Normalerweise ist es an den Feiertagen bei uns sehr ruhig." Ihm entgeht ein gemeinsames Abendessen mit dem Opa: "Das hat am Zweiten Weihnachtsfeiertag Tradition, da kocht er immer Rinderrouladen. Aber, wie sagt man immer so platt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben." Und erst warten noch einige tausend Säcke darauf, von vielen helfenden Händen, professionellen und freiwilligen, an die richtige Stelle auf dem Deich geworfen zu werden.

Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort

Über dieses Thema berichten wir im WDR auch im Hörfunk: WDR 2 Nachrichten um 15 Uhr.