Mehr Fachkräfte aus dem Ausland gewonnen - wo es noch hakt

Stand: 18.11.2024, 12:32 Uhr

Ein Jahr seit der Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes: Deutschland hat im ersten Jahr über zehn Prozent mehr Arbeitsvisa erteilt.

Die Zahl sei im Vergleich zum Vorjahr von knapp 177.600 auf insgesamt rund 200.000 gestiegen, teilten das Bundesinnen-, Bundesarbeits- und Bundesaußenministerium am Sonntag in Berlin gemeinsam mit: "Die Regelungen werden gut angenommen."

Faeser, Heil und Baerbock zufrieden

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, Fachkräfte könnten jetzt schneller nach Deutschland kommen und durchstarten. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte, die deutsche Wirtschaft brauche qualifizierte Fachkräfte. "Das Gesetz wirkt, die Visaerteilung und die Beratungsgespräche im Ausland sind auf Rekordniveau."

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hob hervor, dass die Antragsbearbeitung in der größten Visastelle für Fachkräfte gebündelt sei - im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten in Brandenburg an der Havel. Zudem würde die Digitalisierung in der Behörde vorangetrieben werden.

Erste Stufe der Fachkräfte-Reform

Im November 2023 trat die erste Stufe der Reform in Kraft, die die Ampel-Koalition beschlossenen hatte. Ziel der Reform ist es, den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte zu fördern. Die erste Stufe der Reform umfasste vor allem Erleichterungen bei der "Blauen Karte EU" sowie für anerkannte Fachkräfte. Das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz besteht bereits seit 2020.

Seit März können zudem Fachkräfte mit Abschluss und Berufserfahrung ohne vorheriges Anerkennungsverfahren einreisen und in Deutschland arbeiten. Sie müssen also noch keine in Deutschland anerkannte Ausbildung vorweisen - aber ein Arbeitsplatzangebot mit einem Bruttojahresgehalt von mindestens 40.770 Euro. Bei Tarifbindung des Arbeitgebers genügt eine Entlohnung gemäß Tarifvertrag.

Schwierig für Arbeitgeber - große Konzerne im Vorteil

Der Weg zu Fachkräften aus dem Ausland ist für Arbeitgeber aber nicht immer einfach. Die erste Hürde ist bereits die Vereinbarung eines Termins beim Ausländeramt. "Regelmäßig stürzen die Server ab", beschreibt der Düsseldorfer Bäckermeister Jan Patrick Behmer seine Erfahrung mit der Online-Terminvergabe.

"Dann kann man in zwei, drei Monaten einen Termin bekommen, der dann kurzfristig abgesagt wird wegen Krankheit oder Überlastung." Jan Patrick Behmer, Düsseldorfer Bäckermeister

Es gebe zwar offene Sprechstunden, aber da seien die Warteschlangen teilweise "drei Häuserblocks" lang. Zudem wären die Anforderungen und nötigen Formulare sehr umfangreich und selbst für Muttersprachler schwer zu verstehen, so Behmer.

Für größere Konzerne wie den Wohnungsbaukonzern Vonovia seien die Abläufe durch die Reform dagegen einfacher geworden, sagt Unternehmenssprecherin Silke Hoock. Sie verfügen allerdings auch über eigene Abteilungen, die sich gezielt mit der Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland beschäftigen. Vonovia stellt inzwischen Elektriker aus Kolumbien ein.

Fendel: "Müssen bürokratische Hürden abbauen"

Tanja Fendel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) betont, dass trotz Reform noch weitere bürokratische Hürden abgebaut werden müssen. Für Fachkräfte aus Drittstaaten ziehe sich der Prozess, bis sie in Deutschland arbeiten dürfen, oft sehr. "Es ist wichtig, dass man diesen Prozess der Anerkennung beschleunigt", sagte Fendel im Interview mit WDR5. Bei einigen Berufen dauere es bis zu anderthalb Jahre, bis die Anerkennung erfolge.

Dennoch seien die Änderungen, die 2023 am Fachkräfte-Einwanderungsgesetz vorgenommen wurden, "ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Fendel. "Aber wahrscheinlich wird es weiterhin Nachbesserungen erfordern." So müssten beispielsweise die Gehaltsschwellen reduziert werden, damit Fachkräfte zuziehen können, auch wenn "sie nicht so gute Jobs angeboten bekommen".

Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Wo hakt es? WDR 5 Morgenecho - Interview 18.11.2024 05:52 Min. Verfügbar bis 18.11.2025 WDR 5

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Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagenturen dpa und afp
  • Interview mit Tanja Fendel, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung