Seit langem versucht der türkische Präsident Einfluss auf türkischstämmige Menschen in Europa zu nehmen, in Deutschland nicht zuletzt durch die der Türkei unterstellten Moscheegemeinden. Nun versucht Erdogan offenbar auch einen Fuß in die deutsche und europäische Politik zu bekommen.
Mit "DAVA" wird sich sich jedenfalls demnächst eine neue Partei gründen, die explizit für islamische Werte wirbt und bereits zu den Europawahlen antreten will. Noch handelt es sich bei DAVA um eine Wählervereinigung. Damit zielt die künftige Partei vor allem auf die rund 930.000 türkisch stämmigen Menschen, die hier im Westen leben.
DAVA steht offiziell für "Demokratischen Allianz für Vielfalt und Aufbruch". Der Name erinnert aber an den arabischen Begriff "DAWA", der für die islamische Missionierung steht. Das dürfte kein Zufall sein, denn unter den Gründern der Partei sind vor allem Sympathisanten des türkischen Präsidenten Erdogan.
"Es ist ein Begriff, den Erdogan verwendet und den Erdogans Gefolgsleute verwenden.", sagt Yunus Ulusoy von der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen. Eigentlich gehe es darum, Erdogans Gefolgschaft hinter ihm zu versammeln. Er habe den Vorsitzenden der DAVA gefragt, warum gerade dieser Begriff gewählt worden ist, so Ulusoy weiter: "Er sagte mir einmal, weil es eben einen Mobilisierungseffekt aufweist."
Den erhofft sich die neue Partei bei konservativen Muslimen mit einer türkischen Migrationsgeschichte. Im Parteiprogramm der DAVA, das der ARD vorliegt, spricht sich die angehende Partei vor allem für den Schutz des Islam, die Stärkung "traditioneller Werte" und einen starken Sozialstaat aus.
Ziel: Die Europawahl
Spitzenkandidat Deutschland ist Fatih Zingal. Er will wegen der vielen hier lebenden Migranten NRW zum Schwerpunkt des DAVA-Wahlkampfs für die Europawahl machen. Früher war der Jurist Vorsitzender des Vereins UID mit Sitz in Köln, der vom Verfassungsschutz beobachtet wurde.
Der Verein organisierte Wahlkampfauftritte für den türkischen Präsidenten und brachte Menschen mit Bussen zu den Wahllokalen. Kann sich Zingal von Erdogan überhaupt distanzieren?
Der Spitzenkandidat behauptet: "Das sind in der Tat zwei Paar Schuhe. Ich bin in der Tat nicht mehr in der UID aktiv und dort auch kein Mitglied mehr." Weder sei man der verlängerte Arm Erdogans noch der AKP. "Wir sind tatsächlich eine deutsche sonstige politische Vereinigung, die sich mit innerdeutschen Themen befassen möchte."
Gerade im Ruhrgebiet, wo die Zustimmung für Erdogan bei den türkischen Wahlen besonders hoch war, wollen sie unter den Fans des türkischen Präsidenten Erfolg haben. Für den Bochumer SPD-Abgeordneten Serdar Yüksel eine Gefahr: "Den Mut dieser Parteigründung gibt es auch deshalb, weil es große Unterstützung auch aus Ankara genau für diese Ideen gibt. Aus meiner Sicht ist es nicht nur eine türkische AfD, sondern auch einen Ableger der Türkisch konservativen Partei, der von Erdogan, der AKP."
Gründer unter Beobachtung des Verfassungsschutzes
Auf dem Gründungsfoto der DAVA, veröffentlicht in verschiedenen türkischen Zeitungen taucht Idris S. auf. In den sozialen Medien gibt sich der Mann aus NRW sonst gerne als Unterstützer des türkischen Präsidenten und zeigt den Gruß der rechtsextremen grauen Wölfe.
Die Partei antwortet uns schriftlich, den Mann nicht zu kennen. Er sei weder Gründungsmitglied noch habe er eine Funktion innerhalb der politischen Vereinigung inne.
"Der hat mit unserer Partei nichts zu tun. Das hier ist unsere Aufstellungsversammlung in Hannover gewesen, und da waren auch Zuschauer da." Das Foto in der Zeitung sei nicht freigegeben worden. "Rassismus hat in unserer sonstigen politischen Vereinigung keinen Platz und wird auch keinen Platz finden. Im Gegenteil jeder, der rassistisches Gedankengut befürwortet oder in irgendeiner Form unterstützt, der wird von uns mit allen politischen Mitteln bekämpft."
Und auch die Äußerungen des Parteivorsitzenden Teyfik Özcan fallen auf. Er hält laut seines Facebook-Profils den Massenmord an den Armeniern, den der Bundestag als Völkermord eingestuft hat, für einen "Mythos". Özcan vergleicht außerdem die aktuelle Situation im Gaza-Streifen mit den Vergasungen im Holocaust.
"Das zeigt, welch Geistes Kind tatsächlich auch die Organisatorinnen oder die Parteigründer sind." sagt Serdar Yüksel. Aus seiner Sicht stünde die DAVA nicht auf "demokratischem Boden".