"Wir werden einander viel verzeihen müssen" - mit diesen Worten kommentierte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Frühjahr 2020 die Corona-Politk der Bundesregierung. Es würden Phasen kommen, in denen man feststelle, dass man vielleicht nicht in jeder Lage richtig gehandelt habe.
Vier Jahre später ist die damalige Regierung zwar schon lange abgewählt, aber die Fehleinschätzungen und falschen Entscheidungen der Politik zu Corona-Zeiten beschäftigen immer noch viele Menschen.
Selbstkritik bei Schulschließungen und Ausgangssperren
Auch die Politiker selbst. Der aktuelle Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) etwa, der sich während der Pandemie mit seiner medizinischen Expertise Profil verschaffte, kritisierte rückblickend die zu langen Schließungen von Schulen, Kindergärten und Kitas. "Der größte Fehler war, dass wir bei den Kindern zum Teil zu streng gewesen sind und mit den Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich etwas zu spät angefangen haben", sagte er dem "Spiegel". Viele Studien bestätigen: Bis heute führen die Folgen der Pandemie zu psychischen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen. Esstörungen, Bewegungsmangel und Depressionen hätten während der Schulschließungen stark zugenommen, so etwa die Ergebnisse des Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung.
Kanzleramtschef Braun: Haben Wirkung der Impfstoffe überschätzt
Auch andere Corona-Maßnahmen werden im Rückblick von den Akteuren als übertrieben eingeschätzt. Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) würde etwa nächtlichen Ausgangssperren nicht mehr zustimmen, sagte er in einem Interview mit dem "Spiegel". Helge Braun (CDU), damals Kanzleramtschef, räumte später ein, dass die Regierung damals die Wirkung der Impfstoffe zu hoch eingeschätzt habe.
Bürgerrat soll Corona-Maßnahmen aufarbeiten
Doch nicht nur die Politik, auch viele Bürgerinnen und Bürger sehen die Corona-Maßnahmen kritisch und fordern eine Aufarbeitung. Diese hat nun Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der während der Pandemie bis 2021 Finanzminister war, in Aussicht gestellt. Er habe Sympathien für den Vorschlag, einen Corona-Bürgerrat zu berufen, sagte er der ARD. Dann seien nicht nur Experten und Abgeordnete dabei, sondern auch Bürgerinnen und Bürger.
160 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger erarbeiten Gutachten
In einem solchen Bürgerrat werden 160 Teilnehmende, die die Bevölkerung möglichst gut abbilden sollen, zufällig ausgelost. Damit will der Bundestag zu konkreten politischen Fragestellungen "eine direkte Rückmeldung aus der Mitte der Gesellschaft" bekommen - und das "jenseits von Meinungsumfragen und Lobbyismus". Der Bürgerrat erarbeitet ein Gutachten mit konkreten Empfehlungen, wie die Politik handeln sollte. Diese Empfehlungen fließen in die Beratungen im Parlament mit ein, sind aber nicht bindend für die Abgeordneten.
Bislang hat die Bundesregierung einen Bürgerrat eingesetzt. Dieser beschäftigte sich 2023 mit dem Thema "Ernährung im Wandel". Ob der von Bundeskanzler Scholz angeregte Bürgerrat zur Corona-Politik noch in dieser Legislatur eingesetzt wird, ist derzeit unklar.
Unsere Quellen:
- dpa
- "Spiegel"
- Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung
- "Bericht aus Berlin"
- Deutscher Bundestag
Über dieses Thema berichten wir am Montag u.a. auch in der "Aktuellen Stunde" um 18.45 Uhr im WDR Fernsehen.