Nach vielen Debatten, in Politik und Gesellschaft, war es am 1. April so weit: Das Cannabis-Gesetz der Ampel-Koalition trat in Kraft. Seither dürfen Erwachsene in Deutschland Marihuana besitzen und konsumieren.
Knapp vier Monate sind seitdem vergangen - Klarheit herrscht aber teils immer noch nicht. Denn obwohl bestimmte Regeln für den legalen Anbau und Konsum eingeführt wurden, sind weiterhin viele Fragen offen. Vor allem die Frage wo das legale Cannabis aktuell herkommen soll, ist noch nicht beantwortet. Cannabis-Konsumenten haben nun offenbar einen Weg über Online-Rezepte gefunden.
Cannabis-Clubs können noch nicht liefern
Eigentlich soll Cannabis über die sogenannten "Social Clubs", also Cannabis-Clubs, erworben werden. Mitglieder dürfen hier gemeinschaftlich Marihuana produzieren und für den Eigenkonsum nutzen.
Die Clubs wurden aber erst drei Monate nach der Teil-Legalisierung zum 1. Juli erlaubt. Und weil bei Lizenz-Anträgen mit einer Bearbeitungszeit von bis zu drei Monaten zu rechnen ist, können viele der "Social Clubs" noch keine Ernte liefern. Trotzdem ist der Cannabis-Bedarf da. Diese Lücke füllt laut WDR-Recherchen medizinisches Cannabis auf Rezept.
Cannabis per Rezept im Internet
Medizinisches Cannabis wird seit der Teil-Legalisierung nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft. Daher ist es nun relativ einfach, über ein ausgestelltes Rezept Cannabis in Apotheken zu kaufen. Im Netz gibt es Anbieter, die Online-Rezepte ausstellen. Auch der Weg zur Apotheke kann online stattfinden und das Cannabis nach Hause geliefert werden.
Offiziell dürfen keine falschen Angaben gemacht werden, um an ein Rezept zu kommen. Allerdings scheinen je nach Anbieter für Online-Rezepte ein paar Klicks und Infos auszureichen.
Großhändler sehen hohe Cannabis-Nachfrage
Die hohe Cannabis-Nachfrage über Apotheken spüren Großhändler wie "Cannamedical" aus Köln. Eine halbe Tonne im Monat liefert die Firma an rund 1.000 Apotheken im Land. Es ist eigentlich medizinisches Cannabis, das es nur auf Rezept gibt. Seit der Teil-Legalisierung ist nun die Zahl der Patienten, die Cannabis als Schmerz- oder Schlafmittel benötigen, kräftig gestiegen.
Dass medizinisches Cannabis kein Betäubungsmittel mehr ist, habe die Patientenzahl in Deutschland "explodieren lassen", bemerkt auch Niklas Kouparanis von der Bloomwell Group. Die bietet medizinisches Cannabis an.
Auch die Online-Apotheke Grünhorn aus Leipzig teilt auf Anfrage mit, dass mit der Teil-Legalisierung "mehr Player auf den Cannabismarkt gedrängt" seien - und sprach in diesem Kontext sogar von einer "Wildwest-Zeit des Übergangs". Mit dem 1. April hätten sich die eingehenden Rezepte sehr stark erhöht, so Grünhorn. Einige Hersteller seien ausverkauft oder hätten Lieferschwierigkeiten.
Boom von medizinischem Cannabis auf Zeit?
Den Cannabis-Boom bei Apotheken dokumentieren auch WDR-Recherchen. Ob dabei alles legal abläuft, lässt sich mit Blick auf die teils schnell ausgestellten Online-Rezepte kaum beantworten. Der Apothekerverband NRW kritisiert das Ausstellen von Online-Rezepten scharf.
Wie lange der Boom von medizinischem Cannabis anhält, wird sich mit dem Betrieb der "Social Clubs" zeigen. Denn sobald die Lizenzen erteilt sind, dürften dort die ersten Cannabis-Plantagen angelegt werden. Zumindest für Mitglieder ist der Umweg online dann überflüssig.
Unsere Quellen:
- WDR-Sendung "Aktuelle Stunde"
- WDR-Format "Die andere Frage"
- Interview mit der Online-Apotheke Grünhorn
- Interview mit der Bloomwell Group
Über dieses Thema haben wir am 25.07.2024 auch im WDR Fernsehen in der Aktuellen Stunde berichtet.