Kris Kristofferson – Von Nashville nach Hollywood

Von Ingo Neumayer

Singen? Aber hallo. Gitarrespielen? Na sicher. Komponieren? Mit links. Schauspielern? Auch kein Problem. Kris Kristofferson war ein Multitalent, das besonders in den 70er Jahren in der Country-Szene genauso wie in Hollywood zu Hause war. Am 28.09.2024 ist Kris Kristofferson im Alter von 88 Jahren gestorben.

Kris Kristofferson bei Konzert 2012

Erst schrieb er für die Großen, dann wurde er selbst einer: Kris Kristofferson war zu Beginn seiner Karriere eher der Mann im Hintergrund. Der, der die Hits schrieb und dann anderen gab. Doch als die eigene Karriere an Fahrt aufnahm, startete er richtig durch.

Erst schrieb er für die Großen, dann wurde er selbst einer: Kris Kristofferson war zu Beginn seiner Karriere eher der Mann im Hintergrund. Der, der die Hits schrieb und dann anderen gab. Doch als die eigene Karriere an Fahrt aufnahm, startete er richtig durch.

Dabei ist Kristofferson ein Spätzünder in der Country-Szene. Er studiert Literatur, geht auf Druck seiner Familie als Hubschrauber-Pilot zur Army, die ihm auch einen dreijährigen Aufenthalt in Bad Kreuznach beschert.

Doch Kristofferson verlässt die Army und geht Mitte der 1960er mit fast 30 ins Country-Mekka Nashville, um als Musiker durchzustarten. Eine Entscheidung, die zum Zerwürfnis mit seiner Familie führt.

Tatsächlich läuft es am Anfang äußerst schlecht. Kristofferson wohnt in schäbigen Motels, ist ständig pleite, und das bisschen Geld, das er sich mit Gelegenheitsjobs verdient, geht als Alimente an seine Ex-Frau.

Als Hausmeister bei Columbia Records angestellt, steckt Kristofferson dem dort ein- und ausgehenden Johnny Cash immer wieder Aufnahmen seiner Songs zu. Doch Cash wirft die Tapes weg, also greift Kristofferson zu drastischeren Mitteln: Er landet mit einem Hubschrauber direkt auf dem Rasen von Cashs Anwesen. Ein Stunt, der funktioniert...

Cash nimmt endlich Notiz. Er nimmt den Kristofferson-Song "Sunday Morning Coming Down" auf – und landet prompt einen Superhit. Kristofferson ist auf einen Schlag bekannt und gefragt als Songwriter: Er schreibt Songs für Country-Stars wie Dave Dudley oder Waylon Jennings und Rock'n'Roll-Legenden wie Jerry Lee Lewis.

1970 lernt er Janis Joplin kennen und hängt ein paar hochprozentige Wochen lang mit ihr in Kalifornien ab. Er überzeugt sie, seinen Song "Me And Bobby McGee" aufzunehmen. Der erscheint posthum nach Joplins Drogentod und wird ein weltweiter Hit.

Dadurch kommt auch Kristoffersons eigene Gesangskarriere in Gang. Auf dem Album "The Silver-Tongued Devil And I" (1971) verarbeitet er unter anderem Joplins Tod und singt über seine Freunde Johnny Cash und Dennis Hopper.

Hopper ist es auch, der Kristofferson in dessen Film "The Last Movie" eine Rolle anbietet. Kristofferson leckt Blut und startet eine Zweitkarriere auf der Leinwand. Er dreht mit Regie-Legenden wie Sam Peckinpah, Martin Scorsese und Michael Cimino.

1976 spielt Kristofferson im Drama "A Star Is Born" einen Rockstar mit Drogenproblemen, der sich in eine Amour fou stürzt. Seine Partnerin im Film: Barbra Streisand. Die will erst Elvis Presley für den Film gewinnen, muss sich dann aber mit Kristofferson zufrieden geben.

Dennoch räumt "A Star Is Born" groß ab: Kristofferson erhält einen Golden Globe als Bester Hauptdarsteller, Barbra Streisand einen Oscar für den Song "Evergreen".

Doch seine eigentliche Liebe gilt weiterhin der Musik: Mit Rita Coolidge, die er 1973 heiratet, nimmt er mehrere Platten auf und geht regelmäßig auf Tour.

Mit dem Ende der 70er ebbt Kristoffersons Erfolgswelle ab. Seine Platten verkaufen sich schlecht und auch die Filmkarriere gerät ins Stocken. Ein Studio bietet ihm die Hauptrolle in "Rambo" an – er lehnt ab. Stattdessen dreht er mit Michael Cimino den Spätwestern "Heaven's Gate" ...

Ein Film, der das Studio fast in den Ruin treibt und bis heute als größter Film-Flop aller Zeiten gilt. Die Folgen sind drastisch: In Hollywood endet nicht zuletzt dank "Heaven's Gate" die Ära des Regie-Kinos der 1970er Jahre, die Studios übernehmen fortan wieder die Kontrolle. Außerdem sorgt der Film dafür, dass in Hollywood über ein Jahrzehnt lang keine Western mehr gedreht werden – bis Kevin Costner 1990 den Wolf tanzen lässt.

Schlagartig bleiben die Filmangebote für Kristofferson aus und auch die Musikkarriere geht den Bach runter. Von der Country-Supergroup "Highwaymen" abgesehen, in der er zusammen mit Johnny Cash, Willie Nelson und Waylon Jennings spielt, reiht er in den 80er und 90er Jahren Flop an Flop.

Im neuen Jahrtausend läuft es wieder etwas besser für Kristofferson. Zwar gelingt ihm kein Comeback in der Größenordnung eines Johnny Cashs, aber er veröffentlicht regelmäßig Platten und hat immer noch genug treue Fans, um die eine oder andere Welttournee zu machen.

Und auch die Filmkarriere läuft wieder an – wenn auch auf einem etwas anderen Niveau. Kristofferson spielt in der Superhelden-Reihe "Blade" mit, wird in "Payback" von Mel Gibson in die Luft gejagt und mimt im "Planet der Affen"-Remake einen der menschlichen Aufständischen.

Kristoffersons Tatendrang bleibt lange ungebremst. Erst 2021 – kurz vor seinem 85. Geburtstag – verkündet er seinen Ruhestand und zieht sich auf sein Anwesen in Hawaii zurück, wo er die letzten Lebensjahre im Kreise seiner Familie verbringt.

Stand: 30.09.2024, 11:13 Uhr