Zwei schwere Türen wollen überwunden werden, bevor man den lichten Empfang der "Villa Waldfrieden" erreicht. Hier gibt es keine langen Flure, nur vorauseilende Blickwege. Ecken und gerade Wände fehlen, alles ist abgerundet, dem Sonnenlicht zugewandt, und alles ist Bewegung. Es zieht den Besucher förmlich von einem Raum in den nächsten. Von "Raumsäcken, Wegeschleusen, Weichenbildungen" sprach der Architekt Franz Krause, der die Villa "reziprok", also von innen nach außen, konzipierte und 1950 vollendete.
Die "Villa Waldfrieden" ist mehr als ein Haus, sie ist ein organisches Gebilde und ein Ereignis.
Mensch und Haus als Einheit
Seine Arbeit verstand er als "Schöpfungsakt", sein Haus ist ein organisches Gebilde. Während der Bauarbeiten soll sich Krause nackt zum Sonnen in den Park gelegt haben, seinen Körper als Bezugsmaßstab auslotend. Räume, die ihm unproportioniert erschienen, ließ er kurzerhand wieder einreißen. Mensch und Haus sollten zu einer Einheit verschmelzen. Da sowohl der Architekt als auch der Bauherr nicht sehr groß waren, sind die Decken eher niedrig. Wie eine zweite Haut umhüllt das Haus seine Bewohner, die Perspektiven schmeicheln dem Auge, die Rundungen wirken leicht und beschwingt.
Der Bauherr, Kurt Herberts, war ein Freund der Künste: Während des Zweiten Weltkrieges unterstützte er neben Franz Krause auch Oskar Schlemmer und Willi Baumeister, sogenannte "entartete" Künstler. Nach 1945 schneiderte Krause dem Lackfabrikanten sein Haus auf den Leib. Er wollte Kraftlinien bilden, duldete keine Symmetrie. Die Villa sollte mehr werden als ein Haus: ein Ereignis.
2005 erkannte der britische Bildhauer Tony Cragg die Einzigartigkeit des damals heruntergekommenen Anwesens in seiner Wahlheimatstadt Wuppertal. Seine Stiftung kaufte Park und Haus. Aufwendig restauriert, ist die "Villa Waldfrieden" heute das Herz von Craggs Skulpturenpark - ein Stück Architekturgeschichte und ein Unikat.
Buchtipp
Christiane Gibiec: Ein Beweger, ein Impulsator -
Der Lackfabrikant Dr. Kurt Herberts
Hrsg. vom Bergischen Geschichtsverein
NordPark Verlag 210, Preis: 16,80 Euro
Autorin: Claudia Kuhland
