Sie wirkt unscheinbar, fast verschlossen. Nur kleine, sparsam verteilte Lichtpunkte - weniger Fenster als wirkungsvoll gesetzte Wandornamente. Hans Scharoun hat die Johannes-Kirche in Bochum 1965 entworfen, seit 1997 steht sie unter Denkmalschutz. Die ungewöhnlich asymmetrische Konstruktion erinnert an sein berühmtestes Bauwerk: die Philharmonie in Berlin.
Rückzug, Besinnung, Konzentration
Die Johannes-Kirche ist der einzige Sakralbau, der nach Entwürfen von Scharoun realisiert wurde.
In Bochum hat Scharoun eine Kirche als Zelt mit eigens angehobener Dachspitze geschaffen. Zur Straße hin versteckt sie ihre Schönheit. "Bei mir ist das Außen das, was übrig bleibt", so der Architekt. Auf sensationelle Schauseiten verzichtete er. Milchglasscheiben halten die Welt auf Distanz - kein Ausblick, nur Lichtquelle nach innen. Abgeschirmt vom Lärm der Stadt befindet sich der Garten. Rückzug, Besinnung, Konzentration - dafür ist die Kirche gebaut.
Je weiter man hineingeht, umso augenfälliger wird das Konzept. Abgeschiedenheit in schönster Beleuchtung. Industrieglas statt konventionell bunter Verglasung. Die Fensterwand neigt sich in den Raum. Keine Wand steht einer anderen parallel gegenüber. Freies, organisches Bauen als zeitgemäße Antwort auf eine Religion, die ihren Weg sucht.
Der Altar besteht aus zwei Teilen: Granitsarkophag und Holztisch mit Stahlbeinen. Der Industriedesigner Wilhelm Wagenfeld entwarf die Leuchter im Stil seiner berühmten Bauhaus-Lampe. Die unterschiedliche Färbung der feuergebrannten Klinker korrespondiert mit dem Altarbild "Licht" von Fritz Winter.
Architektur, die über das 20. Jahrhundert hinausweist
Für jede Funktion entwickelte Scharoun einen eigenen Raum, setzte Lichtakzente, wo gepredigt wird.
Für jede Funktion entwickelte Scharoun einen eigenen Raum, setzte Lichtakzente, wo gepredigt wird, öffnete das Dach, um den für die Gemeinde wichtigsten Bereich zu beleuchten. Die Johannes-Kirche ist der einzige Sakralbau, der nach Entwürfen von Scharoun realisiert wurde. Die Bochumer Christengemeinschaft, eine fortschrittliche Bewegung religiöser Erneuerung, hat sich für eine Architektur entschieden, die über das 20. Jahrhundert hinausweist. Ein Glücksfall der Baukunst.
Buchtipp
Eberhard Syring, Jörg C. Kirschenmann: Hans Scharoun 1893-1972.
Außenseiter der Moderne
Taschen Verlag 2007
Autor: Martina Müller
