Ein Teddybär - beschmiert mit Farbe, versunken in einer wüsten Landschaft aus Atelierabfällen: leere Farbflaschen, Pinsel, Gläser, Zigarettenkippen, vergammelte Essensreste. Neun Jahre lang hat Dieter Roth an seinem "Bild mit Teddybär" gearbeitet, bis er es 1995 vollendete. Aus den Requisiten seines Alltags hat er eine Collage geschaffen, das Spielzeug seiner Enkel mit dem Künstlermüll arrangiert, das Kindlich-Leichte mit dem Zerstörerischen kombiniert. Doch was auf den ersten Blick chaotisch erscheint, unterliegt einer inneren Ordnung: Reale Gegenstände finden spiegelbildlich ihr gemaltes Gegenüber. So entstand eine Art dreidimensionales Selbstporträt, eingefrorene Lebenszeit - und doch dem Verfall preisgegeben. "Die Maden sind meine Mitarbeiter", hat Dieter Roth einmal gesagt.
Zeremonienmeister des Verfalls
Er war Büchermacher und Bildhauer, Zeichner und Graphiker, Maler und Musiker, Schriftsteller, Filmemacher und Dichter: der Universalkünstler Dieter Roth, 1930 in Hannover geboren, 1998 in Basel gestorben. Es fiel ihm schwer, eine Grenzlinie zu ziehen zwischen Lebens- und Kunstwirklichkeit. Alles geriet ihm radikal: die Arbeit ebenso wie der Alltag. Als Einzelgänger und Eigenbrötler verweigerte er sich dem Kunstbetrieb. Mit anarchischer Lust sabotierte er die Hierarchie zwischen Kunst und Nichtkunst, nutzte Lebensmittel und Müll für seine Objekte und ließ die Zeit sichtbar werden, indem er Vergänglichkeit und Verwesung in seine Installationen integrierte. Oft nicht gerade appetitlich, aber wahr: "Macht euch keine Sorgen. Es geht doch alles vorüber."
Buchtipps
Benjamin Meyer-Krahmer: Dieter Roth. Selbstbeobachtung als künstlerischer Schaffensprozess. Vice Versa 2007; Preis: 27 Euro
Dieter Roth: Druckgraphik. Catalogue Raisonne 1947-1998. Primus Verlag 2004 Verlag der Buchhandlung König 2003; Preis: 49 Euro