Es ist eine Welt für sich, ein Raum mit mysteriösen Objekten. Geometrische Formen, teils plastisch, teils gemalt. Sie fordern unseren Blick heraus, verweigern sich einer eindeutigen Perspektive. Gedeckte Farben und kleine rote Akzente. Jede Form für sich wirkt klar, definiert - aber in welcher Verbindung stehen sie zueinander? Sie scheinen den Raum dynamisch aufzuladen, ein Energiefeld zu bilden. Prounen hat der russische Künstler El Lissitzky (1890-1941) seine Kreation genannt, abgeleitet wohl von Pro Unowis, einem Projekt "für die Erneuerung der Kunst", das er in der Euphorie der russischen Revolution entwarf.
Beseelt von der russischen Revolution
El Lissitzky: Prounenraum für die Große Berliner Kunstausstellung 1923/1965. rekonstruktion des Stedelijk Van Abbemuseums Eindhoven, Detailansicht.
Sein Mentor Kasimir Malewitsch hatte sich als erster der puren Geometrie verschrieben: Die Kunst sollte frei sein von jeglichem Bezug zum Gegenstand. Lissitzky ging noch weiter, öffnete den Raum, erschuf die Prounen. Erst hat er sie gemalt, über sechs Jahre lang, in unendlichen Weiten. "Der Künstler malt etwas Neues mit seinem Pinsel, keine wiedererkennbare Form. Es ist das Symbol einer neuen Welt, die von Menschen gemacht wird", so Lissitzky. Er war beseelt von der russischen Revolution, von der Idee, Kunst und Gesellschaft zusammenzubringen. Die Prounen sind wohl der sinnfälligste Ausdruck dafür. Der Mann war ein Tausendsassa, ein avantgardistisches Multitalent: Maler, Architekt, Designer. Er ging in den Westen, inspirierte das deutsche Bauhaus und niederländische De Stijl-Künstler.
Zeitlos modern
Seinen Entwurf für einen Prounenraum, der erstmals 1923 in Berlin gezeigt wurde, hat das Van Abbemuseum lange nach seinem Tod erneut zum Leben erweckt. Der revolutionäre Elan der Avantgarde mag im real existierenden Sozialismus untergegangen sein, El Lissitzkys kreative Kraft hat überlebt. Seine Prounen sind zeitlos modern, bis heute wirken sie fort, inspirieren Künstler und Architekten. Und können bewundert werden in der größten El Lissitzky-Sammlung außerhalb Russlands, im Van Abbemuseum in Eindhoven.
Autorin: Claudia Kuhland