1513 beauftragt die Annenbruderschaft in Kempen Meister Adrian van Overbeck, ein Tafelwerk für den Altar der heiligen Mutter Anna herzustellen. Die Bedingungen werden vertraglich festgelegt: Elf Fuß hoch und zehn Fuß breit soll er sein, und von außen soll das Jüngste Gericht zu sehen sein. Die Schar der Auferstehenden auf dem Weg in den Himmel - oder in die Hölle. Adrian van Overbeck präsentiert sein Können in der Aktmalerei.
Gesamtkunstwerk nach Käuferwünschen
Der Annenaltar: ein Gesamtkunstwerk nach vereinbarten Käuferwünschen
Der Meister ist Maler und Unternehmer, leitet in Antwerpen eine Werkstatt für Großaufträge, engagiert Schreiner, Schnitzer, Vergolder und liefert ein Gesamtkunstwerk nach vereinbarten Käuferwünschen: "Die Innenseiten der Flügel sollen die Geschichte der heiligen Anna erzählen." Anna, die Mutter Marias, hatte Pech mit ihren Männern. Dreimal war sie verheiratet. Für die Darstellung ihrer Vita orientiert sich Overbeck an Druckgrafiken von Albrecht Dürer, die im frühen 16. Jahrhundert weit verbreitet sind. Anna fällt ihrem Enkel Jesus zu Füßen und stirbt in hochmodernen Renaissancegebäuden. Das imposante Gesprenge, bekrönt von Annas Ehemännern, ist den Auftraggebern besonders wichtig.
Leute vom Niederrhein begleiten die Weisen aus dem Morgenland.
Während Overbeck bei der Bildhauerarbeit stilistische Freiheiten hat, haben die Auftraggeber inhaltlich sehr konkrete Vorstellungen: "In dem ersten Gefach soll die Geburt Christi stehen, in dem zweiten das hohe Fest der Epiphania domini mit den Heiligen Drei Königen und in dem dritten Purificationis Marie, zu Deutsch Lichtmess genannt." Mondsichel mit Stern auf der Fahne - das Wappen der Stadt Kempen. Leute vom Niederrhein begleiten die Weisen aus dem Morgenlande. Im Schnitzwerk verborgen: eine Hand - das Qualitätssiegel für Antwerpener Flügelaltäre.
Großes Familientreffen der heiligen Sippe
Großes Familientreffen der heiligen Sippe.
Im Zentrum die Vorfahren Jesu. Alle Generationen sind versammelt. Beim großen Familientreffen der heiligen Sippe vergnügen sich Kinder mit dem am Niederrhein noch heute bekannten Bügelspiel. Stammvater Jesse schläft derweil unter einem Baldachin.
Mit dem vollendeten Altar hat Adrian van Overbeck den Geschmack der Kundschaft offenbar getroffen. Jedenfalls erhöht die Annenbruderschaft großzügig die vorher verabredete Kaufsumme: "Für das fertige Werk soll Meister Adrian 300 Goldgulden von gutem Gewicht und Wert erhalten." Und der Meister folgert: "Also habe ich mein Werk besser und wertvoller geliefert, als vereinbart. Ich, Adrian van Overbeck, Maler zu Antwerpen."
Autorin: Martina Müller