Das Opernhaus in Wuppertal hat viel durchgemacht: 1905 wurde es im Jugendstil gebaut, später von den Nazis umgestaltet und im Krieg bombardiert. 1956 entstand aus der Ruine ein Musentempel der Nachkriegsmoderne.
Neue Formen und Linienführungen
Wendeltreppen weisen den Parcours in die oberen Ränge.
Der hastige Wiederaufbau hat Bausünden hinterlassen, aber auch Qualität. Ein ästhetisch durchdachtes Entree zu einem Foyer von zurückhaltender Eleganz, frei schwingende Treppen ohne Pomp - neue Formen und Linienführungen von zeitloser Schönheit. Verschachtelte Aufgänge erscheinen wie ein Treppenlauf, sind aber zwei spiralförmig ineinander gedrehte Wendeltreppen mit je eigenem Kunststoffbelag, die den Parcours in die oberen Ränge weisen. Schlicht ausgestattete Wandelgänge, Transparenz durch Spiegel. Sehen und gesehen werden im einsetzenden Wirtschaftswunder. Die abstrakte Wandmalerei bildet einen vielfarbigen Kontrapunkt zur sonst dezenten Ausstattung.
Architektur, die Geschichte erzählt
Musentempel der Nachkriegsmoderne: das Opernhaus in Wuppertal
Im Erfrischungsraum passt das Unterhaltungsinterieur zum Swing der Big Bands in den 50er-Jahren. Das Kronleuchter-Foyer bietet farbige Lichtspiele. Seit der umfassenden Sanierung 2009 hat das Opernhaus LED-Beleuchtung. Den Kristalllüster gab es schon 1956 - ein Stilbruch. Nostalgischer Rückblick in Kaiserzeiten. Charakteristisch für die neu erwachte Lust an diskretem Dekor sind die Wandreliefs der 50er-Jahre mit Motiven aus der Theaterwelt.
Gelungener Spagat zwischen Repräsentationsgeschmack und moderner Innenausstattung
Dem Zuschauerraum gelingt der Spagat zwischen Repräsentationsgeschmack und moderner Innenausstattung. Über gerundeten Stahlstützen schwebt die elliptisch geschwungene Decke. Das Wuppertaler Opernhaus beherbergt Oper, Schauspiel und das Tanztheater Pina Bausch. Architektonisch erzählt es die Geschichte vom Kaiserreich bis in die Gründerjahre der Bundesrepublik und steht seit 1989 unter Denkmalschutz.
Autorin: Martina Müller