Im Niemandsland kurz vor der Autobahn im Essener Norden steht ein Nashorn. Was hat es dort, mitten auf einem ehemaligen Zechengelände im Ruhrgebiet, zu suchen? Es thront auf einer Betonplatte, eingerahmt von vier wuchtigen Säulen. Der Bildhauer Johannes Brus, 1941 in Gelsenkirchen geboren, hat die Skulptur 1988 errichtet und Nashorn-Tempel genannt.
Kurioser Blickfang
Das Nashorn aus Beton und die vier Säulen aus Stahl verbinden zwei weit voneinander entfernte Epochen: die Urgeschichte und das Industriezeitalter. Die tonnenschweren Pfeiler, sogenannte Kokillen, sind Fundstücke aus der Schwerindustrie, durchnummerierte Rohgussformen, in die einst glühend heißer Stahl floss. Der Künstler hat sie zu Tempelsäulen umfunktioniert – monumental und unverrückbar wie das Nashorn selbst.
Symbole der Vergangenheit
Kokille und Nashorn – eine absurde Kombination von überraschender Ähnlichkeit: Die stempelartigen Beine des Tieres erscheinen wie Modelle der Gussformen. Gemeinsam sind sie Kronzeugen einer untergegangenen Welt. Mit seiner Skulptur schafft Johannes Brus eine neue, surreale Wirklichkeit, in der das vom Aussterben bedrohte Rhinozeros aus prähistorischer Vergangenheit auf funktionslos gewordene Überbleibsel der Stahlindustrie trifft.
Autorin: Martina Müller