Sie fällt auf im bescheidenen Eingang des Museums, goldschimmernd und sehr groß. Das soll eine Ikone sein? Da stapeln sich förmlich Hunderte von Heiligen, Märtyrern, Unbekannten. Wer sind sie? Was tun sie? Wer hat sie gemalt?
Faszinierende Vielfalt: der Jahreskalender im Ikonenmuseum
Eine Ikone bestehend aus ganz vielen
Einige Motive können auch westliche Christen erkennen: zentrale Episoden des Neuen Testaments, so die Ereignisse der Woche vor Ostern - den Judaskuss, Pontius Pilatus, die Kreuzigung. Zwei Reihen sind nur den beweglichen Feiertagen gewidmet. Andere kehren jedes Jahr am selben Tag wieder, an manchen gilt es, gleich mehrere Feste zu feiern.
Es ist eine Ikone bestehend aus ganz vielen. Zwei Holztafeln für das orthodoxe Kirchenjahr, oben links beginnend mit dem 1. September. Viele Motive sind ausschließlich in der orthodoxen Kirche bekannt: etwa Maria Schutz und Fürbitten, eine Marienlegende.
Rote Monde markieren den Beginn eines jeden Monats, die Figuren sind beschriftet. Sie wurden wie alle Ikonen nach bestimmten Vorgaben gemalt. Sie ähneln sich und sind doch verschieden.
Der Zauber liegt im Detail
Der Zauber der Ikone liegt im Detail. Es ist die Kunst des Meisters, was er aus den Vorgaben macht, wie er etwa den vierzig Märtyrern von Sebaste mit großer Freude zum Detail viel Raum gibt.
Es sind diese Szenen, die neben den Einzelfiguren die opulente Jahresikone bereichern. Und es ist spannend, darin zu suchen und zu finden: den orthodoxen Blick auf die Geburt Christi beispielsweise.
Man weiß nicht, wer die Ikone gemalt hat, man weiß nur, dass sie aus dem Russland des 16. Jahrhunderts stammt. Und dass derartige Kalender, die ein ganzes Jahr abbilden, extrem selten sind. Und noch etwas weiß man: dass es nirgends auf der Welt eine vergleichbare Arbeit gibt. Der Jahreskalender im Ikonenmuseum in Recklinghausen ist einzigartig.
Buchtipps
Hans Belting: Bild und Kult.
Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst
Verlag C. H. Beck 2011
Helmut Fischer: Die Welt der Ikonen.
Das religiöse Bild der Ostkirche und in der Bildkunst des Westens
Insel Taschenbücher Nr. 1883, 2005
Christoph Schmidt: Gemalt für die Ewigkeit.
Geschichte der Ikonen in Russland
Böhlau 2009
Autorin: Claudia Kuhland