Glühendrot stehen Bauklötze vor der geordneten Spielzeugidylle. Merkwürdig erstarrt sitzt ein Junge in seinem voll gestopften Zimmer. Die Pfeife macht das Kind zum Herrn - für Seifenblasen. Ballongroß und surreal verfestigt, treiben sie hinaus. Träume eines Jungen, der keinen Blick mehr hat für die schillernden Kugeln.
Fragile Bürgerlichkeit in der 1920er Jahren
Das Kind ist übergroß. Es wirkt fast plump: ein wohlgenährter Bürgersohn im Wams mit Spitzenkragen, fern jeder Leichtigkeit und Verspieltheit. Die akkurate Glätte der bürgerlich heilen Welt und ein einsamer Dicker in seiner Dachstube - melancholisch, geheimnisvoll, pessimistisch. Kein hoffnungsfroher Blick in die Zukunft. Eine Kindheit zwischen zwei Kriegen.
Auch die Bauklötze stehen auf der Kippe. Die sorgsam aufgetürmte Welt droht einzustürzen. Ein verstörtes Kind, eingezwängt in eine Albtraumlandschaft. 1923 hat es Heinrich Maria Davringhausen gemalt. Der Titel seines Bildes klingt arglos, so als ginge es tatsächlich um ein heiteres Spiel. Doch es herrscht eine dämonische Spannung im scheinbar behaglich Harmlosen. Das erschreckend eindringliche Porträt eines Jungen, dessen Träume entschwinden. Ein kühler Blick auf die fragile Bürgerlichkeit der Zwanziger Jahre.
Geboren 1894 in Aachen, war Heinrich Maria Davringhausen ein Zeitgenosse von George Grosz und Otto Dix - Künstler der Neuen Sachlichkeit und des Magischen Realismus. In der Nazi-Zeit verfemt, floh Davringhausen ins Ausland. 1970 starb er in Frankreich. Viele seiner Gemälde sind heute verschollen. Sein "Junge mit Seifenblasen" kam in Privatbesitz und fand über Umwege ein neues Domizil: im Leopold-Hoesch-Museum in Düren.
Autorin: Martina Müller