Es ist ein Bild mit magischer Präsenz: "Silvia II", das Porträt einer jungen Frau. Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine überdimensionale Fotografie. Erst bei genauerer Betrachtung entpuppt es sich als Gemälde. In der Nahsicht wird das Bild immer abstrakter, bis es sich in einem Meer von feinsten Strichen auflöst. "Meine Bilder kommen langsam rüber, man sieht immer mehr, je länger man schaut", sagt der 1930 im Kanton Bern geborene Franz Gertsch.
Momente für die Ewigkeit
"Silvia II" hat der Künstler 2000 vollendet. Es ist das mittlere Bild einer dreiteiligen Porträtreihe. Als Vorlage diente Gertsch das Dia eines Mädchens aus der Nachbarschaft. Seit den 70ern arbeitet der Schweizer Maler mit dieser Technik: Er projiziert seine fotografischen Vorlagen auf die Leinwand und tupft dann die Farbe Strich für Strich auf das Gewebe. So entstehen hyperrealistische Bilder, zeitlose Porträts als Gegenentwurf zur beschleunigten Welt.
Etwa ein Jahr nimmt sich Gertsch Zeit für seine Gemälde. Er ist davon überzeugt, dass er durch die Mal-Lust, die er täglich in die Leinwand hineinarbeitet, das Bild energetisch auflädt. "Es geht mir darum, dass sich meine Bilder beim Betrachter im Kopf einbrennen."
Neben großformatigen Gemälden widmet sich Gertsch vor allem dem Holzschnitt. Ob mit Pinsel oder Hohleisen: Ihm kommt es darauf an, aus Tausenden von kleinen Punkten, aus feinsten Linien und Flächen Licht und Schatten zu erzeugen und den traditionellen Techniken eine neue Dimension zu erschließen. Wie bei "Silvia II", einer Ikone der Gegenwart, bedeutend und schwerelos.
Bcuhtipps
Franz Gertsch: Naturporträts. Holzschnitte und Gemälde 1986-2006. Edition Minerva 2006, Preis: 28 Euro
Franz Gertsch Retrospektive. Hrsg. von Reinhard Spieler Hatje Cantz Verlag 2005, Preis: 58 Euro