Zwei Zentimeter dünne Stahlplatten, quadratisch schlicht als Metallteppich aneinandergelegt: Der New Yorker Künstler Carl Andre revolutioniert unsere Vorstellung von Skulptur.
Quadrate als Kraftfelder: Carl Andres "Lock Series"
Mitte der 1960er-Jahre begann er, sich auf extrem flache Werke zu konzentrieren, nutzte unterschiedliche Materialien, die er zu "roads" zusammenfügte – ohne vertikales Gegenüber, ohne Sockel. "Meine Vorstellung von einer Skulptur ist eine Straße", sagte er 1970 in einem Interview. Seine Plastiken sind keine Objekte, sondern Orte, die den Blickpunkt des Betrachters in Bewegung bringen.
Extreme Reduktion
Lock Series" entstand 1967. Die Skulptur besteht aus 36 Platten, die in einer Folge von 18 x 2 aneinandergereiht sind. Darunter verbirgt sich nichts, keine Ideen, keine Geheimnisse, keine Gewissheiten. Allerdings hat der Künstler ausdrücklich vorgesehen, dass der Besucher um sie herum geht, über sie steigt und sie betritt. Dann entpuppen sich die Quadrate als Kraftfelder. Sie reagieren auf jeden Schritt anders – je nach Blickwinkel, Tempo, Körpergewicht und Art der Schuhe. Das Gehen wird zu einem sinnlichen Erlebnis, einem akustischen Abenteuer.
Betreten erwünscht
Mit "Lock Series" hat Carl Andre, einer der bedeutendsten Vertreter des Minimalismus, eine Oberfläche geschaffen für Geschichten und Ereignisse. Wer sich darauf einlässt, erfährt den Reichtum der Reduktion.
Autorin: Martina Müller