Buchcover: "Brennende Felder" von Reinhard Kaiser-Mühlecker

"Brennende Felder" von Reinhard Kaiser-Mühlecker

Stand: 22.10.2024, 07:00 Uhr

Liebe, Tod und Lügen – der österreichische Schriftsteller Reinhard Kaiser-Mühlecker beendet mit "Brennende Felder" seine außergewöhnliche Trilogie um die Bauernfamilie Fischer. Der Autor ist Landwirt und gehört zu den wichtigen Stimmen der Gegenwartsliteratur im Nachbarland. Eine Rezension von Andrea Gerk.

Reinhard Kaiser-Mühlecker: Brennende Felder
S. Fischer Verlag, 2024.
368 Seiten, 25 Euro.

"Brennende Felder" von Reinhard Kaiser-Mühlecker

Lesestoff – neue Bücher 22.10.2024 04:48 Min. Verfügbar bis 22.10.2025 WDR Online Von Andrea Gerk


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"Es war die Zeit, als der Wetterbericht nicht mehr stimmte."

Mit diesem Satz würde Luisa Fischer gern ihren Roman beginnen, wenn sie ihn überhaupt jemals schreiben würde. Auch der Roman dessen Hauptfigur sie ist, beginnt mit dem Wetter und der Landschaft, in der er vor allem spielt:

"Wie nach Landregen oder Sturm sah der Himmel aus; er war hoch und weit und von einem einheitlich frischen, hellen Blau. Scharf gezeichnet standen die Berge im ausladenden Halbkreis am Horizont, und im dicht bewaldeten Vorgebirge konnte man die Wipfel einzelner dürrer Fichten ausmachen."

Der Wald, die Felder und das immer weniger planbare Wetter spielen durchaus eine Rolle in diesem Roman, mit dem der 41-jährige Schriftsteller und Landwirt Reinhard Kaiser-Mühlecker seine Trilogie um die Bauernfamilie Fischer abschließt. Nachdem er in "Fremde Seele, dunkler Wald" und "Wilderer" von Luisas Brüdern erzählt hat – dem ehemaligen Soldaten Alexander und Jakob, der den elterlichen Hof weiterführt, steht diesmal deren Schwester Luisa im Mittelpunkt, eine unstete, irgendwie haltlose und schwer zu fassende Figur:

"Niemand hier war ihr je nahe gewesen, nicht nur der Verstorbene nicht, an dessen Totenwache sie teilgenommen hatten, und im Grunde war ihr auch nirgendwo sonst je einer nahe gewesen oder nicht länger als für einen Moment, eine Aufwallung, auch keiner der Männer, mit denen sie gelebt hatte, auch nicht die Väter ihrer Kinder, und manchmal dachte sie: nicht einmal die Kinder selbst."

Luisas Kinder leben bei ihren Vätern in Dänemark und Schweden, die Mutter taucht nur anfallsartig und unangekündigt bei ihnen auf und es zeichnet sich ab, dass die 14-jährige Tochter gar keinen Kontakt mehr mit ihr haben möchte. Luisa selbst ist von Hamburg zurück in ihr Heimatdorf gezogen, gemeinsam mit ihrem Stiefvater Robert Fischer, der sie zwar aufgezogen, aber nicht gezeugt hat und später ihr Liebhaber geworden ist.

Gemeinsam bezieht das seltsame Paar eine Villa am Dorfrand, bis Robert – genannt Bob – eines Nachts auf mysteriöse Weise ums Leben kommt. Luisa zieht erneut los, reist und unternimmt wie früher erotische Streifzüge und fängt nach ihrer Rückkehr ins Dorf etwas mit Ferdinand an, einem Bauern aus der Nachbarschaft, den sie zunächst im Verdacht hatte, Bob getötet zu haben:

"Ferdinand gefiel ihr. Was sie an dem Abend von ihm gesehen hatte, hatte mit dem Bild, das sie sich gemacht hatte, nicht viel zu tun. Er war ein entspannter, dabei umsichtiger Gastgeber, bei dem die Leute sich wohlfühlten und vor dem sie Achtung hatten. (…) Die Erinnerung an den Abend ließ sie lächeln."

Luisa beginnt, Ferdinand an sich zu binden und kümmert sich zunächst auch um dessen autistischen Sohn Anton. Doch dann stört sie sich immer mehr an dessen Unzugänglichkeit und auch an Ferdinands landwirtschaftlicher Arbeit, seiner Beschäftigung mit "Wasserrückhaltung und Wasserspeicherung" und sie beginnt erneut alles zu zerstören.

Überhaupt zeigt sich im Laufe dieser Geschichte, die voller dramatischer und überraschender Wendungen steckt, dass Luisas Beschuldigungen anderer eher Wahnvorstellungen sind, und sie selbst offenbar weitaus zerstörerischer und tödlicher agiert als alle anderen. Das Unstete und Unzuverlässige der abgründigen Hauptfigur steht in diesem Text in einem spannungsreichen und aufregenden Verhältnis zum ruhigen, detailgenauen Erzählfluss.

Die großen Themen, um die es darin geht – der Tod, die Liebe und all die Lügen, die alles zusammenhalten – schimmern darin immer wieder auf, als ebenso fein wie präzis komponierte Motive. Mit "Brennende Felder" hat Reinhard Kaiser-Mühlecker erneut einen beeindruckenden und selten intensiven Roman geschrieben.