Es kommt nicht nur darauf an, wie lange ein Mensch lebt. Sondern auch darauf, wie viel Leben man als Mensch in die Zeit packt, die man auf dieser Welt verbringt. Janis Joplin, geboren 1943 in Texas, wurde nur 27 Jahre alt. Sie lebte radikal, frei und hemmungslos, und sie war dabei gleichermaßen verletzlich und selbstzerstörerisch. Mit Songs wie „Me And Bobby McGee“, „Mercedes Benz“ und „Cry Baby“ berührte sie eine ganze Generation; durch diese Lieder wurde sie zu einer Leitfigur des Protests und der Flower-Power-Bewegung. „Singen ist wie jemanden zu lieben. Es ist ein höchst emotionales und körperliches Erlebnis“, sagte Janis Joplin einmal – und exakt nach diesem Prinzip funktionierten ihre Auftritte.
Musikalisch geprägt durch Schallplatten von Leadbelly, Odetta Holmes und Bessie Smith, ihrem größten Idol, trat Janis Joplin nach dem College Anfang der 1960er-Jahre in Bars, Kaffeehäusern und Restaurants auf. Die Qualität ihrer unverkennbaren, rauen Stimme, die immer so klang, als würde sie regelmäßig mit Sägespänen gurgeln, sprach sich rum. 1966 nahm Janis Joplin das Angebot an, Sängerin von Big Brother And The Holding Company zu werden. Im Kontext der Band nahm ihre Karriere Fahrt auf. 1967 trat Janis Joplin beim „Monterey Pop Festival“ auf und bekam ihren ersten Plattenvertrag. Die Bühne entpuppte sich als Freiraum für die Sängerin. Hier blühte sie auf, tobte, trank Alkohol, röhrte, schrie und lebte ihre Texte. So avancierte sie nicht nur zur „Queen des weißen Bluesrock“, sondern wurde das, was es seinerzeit so nicht gab: Janis Joplin war der erste weibliche Rockstar.
Ihren berühmtesten Auftritt hatte Janis Joplin im Verbund mit ihrer zweiten Formation, der Kozmic Blues Band. Beim Woodstock-Festival begeisterte sie 400.000 Menschen, erschien körperlich aber bereits derangiert. Joplin war bei dem Auftritt stark alkoholisiert, wirkte aufgeschwemmt und sang brüchig. Die Balance zwischen künstlerischer Kreativität und persönlichem Leben hat Janis Joplin während ihrer kurzen Karriere nie gefunden. So radikal und frei sie sich im Biotop der Bühne bewegte, so unsicher, verletzlich und ängstlich war sie im Privaten. Harte Drogen und Alkohol waren auch fern der Öffentlichkeit fester Bestandteil ihres Lebens. Auch dann noch, als sie mit der Full Tilt Boogie Band spielte und in diesem Rahmen ihre künstlerisch erfolgreichste und glücklichste Zeit erlebte. 1971, drei Monate nach ihrem Tod, wurde „Pearl“ veröffentlicht. Das vierte und letzte Studioalbum wurde zum Kassenschlager und toppte wochenlang die US-Charts.
Am 4. Oktober 1970 starb Janis Joplin an einer Überdosis Heroin. Oder wie es ihr Weggefährte Eric Burdon formulierte: „Janis starb an einer Überdosis Janis“. Wenige Tage vor ihrem Tod hatte Janis Joplin ihr Testament gemacht. In dem äußerte sie ihren letzten Wunsch: 200 Freunde sollten ihr hinterlassenes Bargeld in Höhe von 1500 Dollar bei einer großen Party vertrinken. Geschrieben, getan, gesoffen. Dieser unbedingte Feierwille über den eigenen Tod hinaus spiegelte Janis Joplins Lebenseinstellung wider: „Ich lebe lieber zehn überglückliche, ausgelassene Jahre als schließlich 70 zu werden, um in irgendeinem verdammten Sessel fernzusehen“.