Punkrock aus England
Joe Strummer and The Mescaleros
Joe Strummer war das prägende Gesicht und das gute Gewissen von The Clash. Nach dem Split der Punkrock-Band machte er auch als Solokünstler eine prima Figur: Mit Leib und Seele war Strummer ein Kosmopolit des Herzens und bis zu seinem Tod randvoll mit musikalischer Neugier.
Wer alt werden will, muss früh damit anfangen. John Graham Mellor hat sich an diese Devise gehalten. Mit Haut und Haar und hart gegen den eigenen Körper lebte er die Figur Joe Strummer. Er war Hansdampf in allen Gossen, Gentleman und rude boy. Er war Säufer und soziales Gewissen des Punkrock, Drogenkosument de luxe und wacher Politkopf. Und in den letzten Jahren war der Mann, der ganz wesentlich von 1976 bis 1986 The Clash und schon immer ein Kosmopolit des Herzens war, auch immer mehr ein Musiker mit hemmungsloser musikalischer Neugier.
Mit den Mescaleros machte er nach dem Split von The Clash im angenehmsten Wortsinn Weltmusik; sentimentales Ethno-Gebimmel war verpönt, lockeres Spiel ohne Grenzen das Mittel der Wahl. Heraus kam dabei luftiger Reggae, raumgreifender Dub und vielseitige Rockmusik – mal rau, mal herzerwärmend, aber immer eins: sehnsüchtig. In genau dieser Art geriet auch „Streetcore“, jene Schallplatte, die Strummer 2002 mit seiner Band einspielte und die die Mescaleros nach seinem Tod ohne ihn beendeten. In „Coma Girl“ regiert so viel Wollen, dass es ohne Weiteres für zwei weitere Musikerleben gereicht hätte. „Get Down Moses“ besticht durch einen nonchalanten Groove, weiche Bläser und freundlichen Sarkasmus, und „The Long Shadow“ hätte man gerne auch in einer Coverversion von Johnny Cash gehört.
Joe Strummer war Mitbegründer, Sänger und Gitarrist von The Clash. 1979 veröffentlichte die Band das Doppelalbum „London Calling“, auf dem die Musiker kongenial Punk, Reggae und Pop kombinierten. Nicht nur die Musik auf „London Calling“ gilt als Meilenstein der Rockgeschichte, auch das Artwork ist ikonisch. Auf dem Albumcover ist Bassspieler Paul Simonon zu sehen, wie er während eines Konzerts seinen Fender Precision Bass zerlegt.
Joe Strummer, der Anfang der 1990er-Jahre als Ersatzmann für den alkoholkranken Shane MacGowan bei den Pogues sang, spielte auch in einigen Filmen mit. Unter anderem verkörperte er 1989 in „Mystery Train“ die Figur des Johnny. In einer Szene des Films von Jim Jarmusch wird Johnny von der Figur Jun auf einen weißen Cadillac aufmerksam gemacht, der am Straßenrand parkt. Diese Sequenz kann als Hinweis auf den Song „Brand New Cadillac“ interpretiert werden, der sich auf „London Calling“ findet.
Im Dezember 2002 ist Joe Strummer gestorben; er wurde nur 50 Jahre alt. „I’m a punkrocker forever and a day“, hat er einmal gesagt. Dieser Tag ist noch lange nicht zu Ende.