Von "einem der größten Trümmerhaufen der Welt" sprachen amerikanische Berichterstatter nach Kriegsende. 262 alliierte Luftangriffe hatten Köln dem Erdboden gleich gemacht. In Einzelteile zerlegte Brücken, eingestürzte Gebäude, Bombenkrater, Schuttberge. Doch über den Trümmern ragten zwei Türme trotzig in den Himmel: die des Kölner Doms.
Siebzig Bombenangriffe hatte der Dom mehr oder weniger unbeschadet überstanden. Viele Kölner glauben bis heute, dass man "ihren" Dom absichtlich geschont habe - ein Mythos übrigens. Doch der Dom, Kölns Wahrzeichen, bestimmt nicht nur die Silhouette der Stadt, sondern spiegelt einen Grundzug der Kölner Mentalität.
632 Jahre und zwei Monate hatten die Bauarbeiten am Kölner Dom gedauert. 632 lange Jahre war er nicht fertig geworden. Es hatte immer wieder Baustopps gegeben, der längste dauerte 300 Jahre. Weil man sich nicht einig war, weil das Geld fehlte. Und weil man in Köln immer schon gut und gerne mit dem Provisorium gelebt hatte. Auch heute noch. Frei nach dem Motto "schön kann jeder", kultiviert man in Köln die ewige Baustelle.
Der Traum vom "alten" Köln
Bis Mitte der 60er Jahre war der Glaube an eine neue, schönere und vor allem moderne Stadt noch ungebrochen, obwohl dem "alten" Köln kräftig hinterher getrauert wurde. Das gemütliche Vorkriegsköln der 20er und 30er Jahre, das sich für viele in den winkeligen Häusern der Altstadt, den Marktplätzen rund um St. Gereon und den prächtigen Ringen fest machte.
Wie die Stadt in diesen Jahren aussah, dokumentieren die Filme von Hermann Kahlo und Willy Krakau, die seit den 20er Jahren gemeinsam in der Stadt unterwegs waren. Die Aufnahmen aus den 20er Jahren zeigen alles, was den Kölnern wichtig war: den Dom mit dem "Dicker Pitter", der 1924 mit einem großen Festakt Einzug in den Turm hielt, Sportveranstaltungen und natürlich den Karneval. Der 11.11.1929 wurde im Funkhaus in der Dagobertstraße groß gefeiert. Das Orchester trug schwarzen Anzug und Narrenkappe, die Gäste schunkelten sich warm, und hinter dem Mikrofon stand der legendäre Willi Ostermann.
Eine Stadt der Veränderungen
Köln ist eine Stadt, die sich immer wieder in alle Richtungen verändert, in der Altes immer schon im ständigen Widerspruch mit Neuem standen. In der die Alten den Verlust des Bekannten beklagen und die Jüngeren Platz für ihre Visionen brauchen. Die Gegensätze prägen das kölsche Denken: Der Kölner ist am liebsten in seinem Veedel zuhause. Er liebt die Kneipe um die Ecke im Besonderen und das Provinzielle im Allgemeinen. Und doch hält er Köln für den Nabel der Welt. Dorf und Großstadt schließen sich hier eben nicht aus.
Leidenschaftlicher Lokalpatriotismus
"Heimatabend Köln" nimmt den Zuschauer mit auf eine Zeitreise von den 20er Jahren bis in die späten 70er Jahre. Kaum eine andere deutsche Stadt wird so leidenschaftlich besungen und beschrieben wie Köln, nirgendwo wird so viel überbordender Lokalpatriotismus demonstriert wie hier. Und noch etwas gibt es nur in Köln: einen Fußballverein, an dem schon fast so lange "gebaut" wird wie am Dom.
Ein Film von Ulrike Brincker
Redaktion: Christiane Hinz