"Mir geht immer das Herz auf, wenn ich nach Aachen komme", sagt der Entertainer Jürgen von der Lippe, der in Aachen aufgewachsen ist. Als "überschaubar" und "gemütlich" beschreiben die meisten Aachener ihre Heimatstadt, in der einem auch schon mal im Sommer der Duft von Printen und Schokolade um die Nase wehen kann. Die Aachener fühlen sich wohl im Dreiländereck.
Aachen ist die westlichste deutsche Großstadt, und die Politikerin Ulla Schmidt hält sie für besonders weltoffen. In einem Fernsehbericht aus den 1960er Jahren heißt es: "Berlin ist 623,5 km und Paris nur 423 km weit weg. Es ist ein wahrhaft europäisches Gemisch."
Von seiner geografischen Lage hat Aachen immer schon profitiert. Nicht nur, was das "besondere Flair" angeht. Noch heute schätzen die Menschen hier die legalen und manchmal auch weniger legalen Einkaufsmöglichkeiten bei den niederländischen und belgischen Nachbarn.
Auf gute Nachbarschaft
Ulla Schmidt hat früher Kaffee über die Grenze nach Aachen geschmuggelt: Für die ehemalige Bundesgesundheitsministerin hat die Stadt ein ganz besonderes Flair.
"Einkaufen bei den Nachbarn" war auf beiden Seiten der Grenze immer ein großes Thema. Butter, Kaffee, Schokostreusel und holländische Kekse waren bei den Deutschen besonders beliebt. Die neuste Mode, aber auch Elektroartikel lockten dagegen die Nachbarn auf die deutsche Seite. Aachen entwickelte sich zum "Schaufenster des Westens".
Erste Fernsehaufnahmen zeigen Holländer und Belgier an verkaufsoffenen Sonntagen in der Aachener Innenstadt. Auch wenn es mit der Verständigung nicht immer so klappte, beim Geschäft wurde man sich schnell einig. Auf kulinarischem Gebiet funktionierte der Austausch ebenfalls bestens. Schon 1958 gab es in der Innenstadt eine Bude mit den begehrten belgischen Fritten. Jürgen Linden verdarb sich mit der Mayonnaise den neuen Kommunionsanzug, Jürgen von der Lippe bevorzugte eine große Portion Senf, weil Mayonnaise ja extra kostete.
Grenz- und Studentenstadt
Das Aachener Universitätsklinikum ist Teil der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule und eines der größten Krankenhausgebäude Europas.
Den Aufstieg zur "Weltgeltung" verdankt die Stadt nach Ansicht vieler Aachener ihrem Heilwasser. Schon Karl der Große, Dürer, Händel, und Kaiserin Josephine haben es geschätzt. Und doch denken die Deutschen beim Stichwort "Aachen" nicht zuerst an die Bäder- und Kurstadt. Rund 40 Prozent verbinden Aachen mit einer historischen Stadt. Erst dann folgen Reitturniere und die Aachener Printen.
Nur wenige denken dagegen bei Aachen an eine Studentenstadt (mit heute 40.000 Studenten). Der Aachener Dom, der als erstes deutsches Bauwerk in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen wurde, ist allerdings den meisten Touristen ein Begriff. Ulla Schmidt bekennt: "Ich gehe jetzt schon 60 Jahre in den Dom und jedes Mal bin ich erschlagen von der Schönheit."
Stadt der gepflegten Gegensätze
In Aachen trifft Tradition auf Moderne, Katholizismus auf Sinnesfreude: Der Kaiserdom bildet den Mittelpunkt der Stadt.
"Heimatabend Aachen" nimmt den Zuschauer mit auf eine filmische Zeitreise, die mit dem Kriegsende im Oktober 1944 beginnt und zu weiteren Stationen führt wie Wiederaufbau und Stadtplanung, Studentenleben und -protest, Nachtleben und Grenzerfahrung, Kirche, Karl und Karneval. Und schnell wird klar: Aachen ist eine Stadt der gepflegten Gegensätze. Tradition trifft auf Moderne, Katholizismus auf Sinnenfreude. Wie sonst könnte man auf die Idee kommen, Sauerbraten mit Printen zu kombinieren?
Ein Film von Ulrike Brincker
Redaktion: Adrian Lehnigk