Illegale Autorennen mit Leihwagen
Polizei warnt Carsharing-Anbieter vor Rasern
Stand: 20.07.2015, 15:22 Uhr
Schnell mal mit möglichst viel PS unterwegs sein: Das ermöglichen die Minutentarife für Leihwagen für kleines Geld. Ein Risiko, warnt die Polizei. Denn gerade junge Raser kommen auf diesem Weg immer wieder an die passenden Autos für illegale Rennen.
Zeugen sahen zwei weiße Mietwagen eines Carsharing-Unternehmens durch die Kölner Innenstadt jagen. Plötzlich verlor einer der Fahrer an einer Kreuzung die Kontrolle: Sein Wagen überschlug sich mehrfach, prallte gegen zwei Ampelmasten und traf mit voller Wucht einen Radfahrer. Drei Tage später starb der 26-jährige Radler. Laut Augenzeugen war der Autofahrer, genauso alt wie der Tote, ein illegales Rennen gefahren.
"Ein völlig neues Phänomen"
Inzwischen sieht es danach aus, dass vor allem junge Fahrer immer wieder leicht verfügbare Leihwagen mit viel PS nutzen, um damit zu rasen. "Es ist ein völlig neues Phänomen, das wir jetzt beobachten", sagt Erich Rettinghaus, NRW-Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Neben verstärkten Kontrollen könnte aus seiner Sicht auch ein erschwerter Zugang zu den Carsharing-Angeboten die Gefahr mindern. Bekannte Raser sind beim Kraftfahrtbundesamt registriert. Darauf kann die Polizei zugreifen. Bei jungen Fahrern bis 24 oder 25 Jahren könne der Anbieter über die Polizei eine Anfrage starten, schlägt Rettinghaus vor. Das Ziel: kein Leihwagen mehr für bekannte Raser.
Meldepflicht für Bußgeldbescheide
Ein Hauptthema ist bei allen Überlegungen der Datenschutz. Denkbar ist für die Polizei auch eine Meldepflicht bei größeren Unfällen oder anderen Verkehrsverstößen: Bußgeldbescheide gehen zuerst an den Autoverleiher. Diese könnten die Polizei schneller über die beteiligten Fahrer informieren, damit diese weiß, wer hinterm Steuer auffällig geworden ist.
Und wie bedenklich ist grundsätzlich die Geschäftsidee, Leihwagen unkompliziert rund um die Uhr verfügbar zu machen? Der Duisburger Verkehrspsychologe Michael Haeser sieht darin kein Problem. Kritisch seien vielmehr die angebotenen, PS-starken Fahrzeugtypen in Kombination mit jungen, eher unerfahrenen aber risikobereiten Fahrern: "Es ist in der Regel die Show, die dazu führt, dass ich anders fahre als normal. Es liegt vieles an der Persönlichkeit des Fahrers."
Zum Rasen verführt?
Besonders verführerisch sind aus Sicht des Experten die Zeittarife der Anbieter, bei denen Fahrzeugverschleiß oder Benzinkosten außen vor bleiben. "Ich bin versichert, das Auto gehört nicht mir. Also kann ich damit umgehen, wie ich möchte." So denken aus Haesers Erfahrung die Kunden. Sie treffen also auf Konditionen, die womöglich zu sportlichem Fahren animieren: "Wenn ich labil bin, dann nutze ich das aus." Ganz egal, dass im "Kleingedruckten" der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Beispiel beim Anbieter DriveNow steht, dass es dem Kunden verboten ist, das Auto für Rennen zu nutzen, oder wie es ganz genau heißt: "zu motorsportlichen Zwecken, insbesondere für Veranstaltungen, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt".
Aktuell kaum Einschränkungen für die Nutzung
Abgesehen von Verstößen gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen greifen beim Carsharing die üblichen Versicherungen: Bei DriveNow etwa liegt die Selbstbeteiligung auch bei selbstverschuldeten Unfällen bei 750 Euro. Auf 350 Euro lässt sich der Eigenanteil drücken, indem man vor jeder Fahrt ein Schutzpaket zum Preis von einem Euro dazubucht. Es gibt allerdings auch Sondergebühren für Verstöße im Straßenverkehr, etwa, wenn das Auto abgeschleppt werden muss - oder wenn es um "strafrechtlich relevante Tatbestände" geht.
Um sich überhaupt registrieren zu können, muss man mindestens 21 Jahre alt sein und seit mindestens einem Jahr den Führerschein haben. Beim Anbieter car2go liegt das Mindestalter bei 18 Jahren. Zur Fahrzeugflotte gehört hier allerdings meist nur der Kleinstwagen smart fortwo in der Benziner- oder Elektro-Variante. Ab 20 Jahren ist jedoch auch ein Mercedes der B-Klasse zu haben.
Weniger PS für junge Fahrer?
Die Deutsche Polizeigewerkschaft hält als Reaktion auf Raser-Unfälle auch eine PS-Obergrenze für prüfenswert. So sei denkbar, die Fahrerlaubnis bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres auf eine Pkw-Motorleistung von 100 kw (136 PS) einzuschränken. Die bisherigen Sanktionsmöglichkeiten reichten offenkundig nicht aus.