Vor wenigen Wochen sah alles noch ganz anders aus. Das Landgericht in Köln erklärte religiöse Beschneidungen zur Straftat - und beförderte damit einen wichtigen Bestandteil jüdischer und muslimischer Tradition in die Illegalität. Es folgten heftige Debatten - beendet ist die Diskussion noch lange nicht. Und jetzt hat Hamburg als erstes Bundesland einen Vertrag mit den muslimischen und alevitischen Gemeinden abgeschlossen, der das Zusammenleben regeln soll. "Ich habe den Eindruck, dass den Muslimen momentan schon ein rauer Wind und eine gewisse Kälte in der Gesellschaft entgegenschlägt", sagt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, der seinen Sitz in Köln hat. "In dieser Phase ist der Hamburger Staatsvertrag quasi ein bisschen Balsam." Für Mazyek sind die Hamburger Verträge außerdem ein positives Signal: "Die muslimischen Religionsverbände wurden als gleichberechtigte Verhandlungs- und Kooperationspartner wahrgenommen."
NRW will keinen gemeinsamen Religionsunterricht
Auch in Düsseldorf werden die Hamburger Verträge begrüßt, jedoch weniger als Vorstoß gesehen. Nach Ansicht der Regierung bestätigen sie vielmehr hierzulande bereits bestehendes Recht. So ist laut Regierungssprecher Thomas Breustedt etwa die Anerkennung der muslimischen Feiertage in NRW auch ohne vertragliche Regelung bereits gängige Praxis: Sofern die Arbeitsabläufe es erlauben, dürften Arbeitnehmer beispielsweise am Fastenbrechen Urlaub nehmen.
"Wir in NRW sind in vielen Bereichen bereits jetzt führend und weiter", so Integrationsminister Guntram Schneider (SPD). Er verweist dabei auf eine bundesweite Premiere: Zum neuen Schuljahr gibt es in Nordrhein-Westfalen bekenntnisorientierten muslimischen Religionsunterricht - verantwortet von einem islamischen Beirat, der maßgeblich durch die Religionsvertreter besetzt wurde. Einen gemeinschaftlichen religionsübergreifenden Unterricht, wie er in Hamburg jetzt entwickelt werden soll, sieht man in Nordrhein-Westfalen aber eher kritisch. Für Aiman Mazyek ist schon der neue muslimische Religionsunterricht "eine Mammutaufgabe für die nächsten Jahre."
Statusfrage noch ungeklärt
Ein anderes Projekt verfolgt man aber in beiden Bundesländern: Die Anerkennung muslimischer und alevitischer Verbände als Körperschaften öffentlichen Rechts. Denn anders als christliche und jüdische Religionsgemeinschaften sind sie das nicht – sie haben also zum Beispiel keinen Anspruch auf Sitze in den Rundfunkräten. Auch können muslimische und alevitische Vereine deshalb keine Religionssteuer von ihren Mitgliedern erheben – die Finanzierung muss also unabhängig vom Einkommen über eine Art Mitgliedschaftsgebühr erfolgen.
Integrationsminister Schneider will das Gespräch mit den Verbänden nun weiter intensivieren: "Mit einem Dialog auf Augenhöhe wollen wir erreichen, dass diese wachsende Minderheit durch einen Staatsvertrag und somit als Religionsgemeinschaft anerkannt wird." Die Klärung der Statusfragen mit den islamischen Religionsgemeinschaften soll schon in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden - an einem entsprechenden Gesetz wird bereits gearbeitet.