Berber, "Bullen" und Höhner
Obdachlosentag beim Kirchentag
Stand: 07.06.2007, 20:00 Uhr
"Wem gehört die Straße", fragte das "1. Kölner Berber-Symposion" auf dem Kirchentag. In der Obdachlosenkirche bei Bruder Hermann-Josef Schlepütz kommen am Donnerstag (07.06.07) sehr unterschiedliche Menschen nah zusammen.
Von Gregor Taxacher
Am frühen Nachmittag haben sich nur wenige Menschen in der ehemaligen Franziskanerkirche im Kölner Süden eingefunden. Das Programm des "Berbertags" steht wegen einer Organisationspanne nicht im Kirchentagsbuch. Also lauschen fast nur Insider den Klängen aus vier Saxophonen: Angehörige der katholischen und evangelischen Obdachlosenseelsorge, einige Obdachlose, vereinzelt andere Besucher. Eine Stunde lang hören sie Klassik und Jazz. Der Kölner Verein "Live Music Now" bringt - nach einer Idee von Yehudi Menuhin - Profimusiker in soziale Einrichtungen und somit vor Publikum, das sonst kaum ein Konzert besucht. Es gibt viel Applaus von den wenigen Hörern.
Obdachloser diskutiert mit Ordnungsamtleiter
Nach dem Konzert schleppt Bruder Hermann-Josef Schlepütz Stühle und Tische. Er ist hier Hausherr, leitet mit Schwester Franziska Passeck den Stützpunkt der katholischen Obdachlosenseelsorge "Gubbio". Inzwischen haben sich etwa 60 Zuhörer eingefunden. Am improvisierten Podium beginnt das "1. Kölner Berbersymposium". Da ist dann tatsächlich ein "Berber" dabei: Jörg sitzt gleich neben Udo Behrendes, dem Chef der Kölner Innenstadt-Polizei. "Berber" und "Bulle" verstehen sich ganz gut, auch als es um ein Reizthema geht: die Räumung eines Obdachlosenlagers unter einer Kölner Innenstadtbrücke kurz vor dem Kirchentag.
Robert Kilp, Leiter des Ordnungsamtes, wehrt sich gegen die Vermutung, man habe die Stadt kurz vor dem Ereignis "säubern" wollen. Es habe Beschwerden aus der Bevölkerung gegeben und einen Artikel in der Kölner Boulevardzeitung "Express", verteidigt er sich. Jörg findet, das Amt solle vorher mit den Leuten reden und nicht unangekündigt anrücken. Polizeidirektor Behrendes sagt: "Wir müssen auch nicht immer springen, wenn der 'Express' pfeift."
Wer hat wirklich die Macht auf der Straße?
Willi Does vom Hilfeverein "Emmaus" meint, die Straße gehöre stets denen, die Macht hätten. Im Karneval dürften alle die Kölner Straßen voll Müll werfen. Nur wenn das eine machtlose Randgruppe hier und da täte, würde sie gleich vertrieben. Während er das sagt, füllt sich die Kirche zusehends, und auch das hat wohl mit dem Karneval zu tun: Denn beim anschließenden Gottesdienst tritt die bekannte Kölner Band "Die Höhner" auf.
Zunächst aber gibt es Frikadellen und Würstchen im Innenhof. Am Würstchenstand hilft auch Höhner-Mitglied Janus Fröhlich. "Weil ich eine Wette verloren habe", sagt er. "Ich habe auf Schalke als Meister gesetzt."
Orangene Tücher und ein Hauch Karneval
Schließlich ist die Kirche mit weit mehr als 200 Menschen fast überfüllt. Erst jetzt sind auch die orangenen Kirchentagstücher in der Menge zu sehen - "Berber" dagegen kaum noch. Als die Höhner los legen, klatscht die Menge begeistert mit. Es ist, als wolle sie den Mann von "Emmaus" bestätigen: Die Macht in Köln hat der Karneval, auch im Sommer, auch auf dem Kirchen- und am Berbertag.