Mieten in NRW steigen
Bezahlbare Wohnungen gesucht
Stand: 10.09.2012, 18:34 Uhr
Bauminister Michael Groschek (SPD) warnt vor "Luxus-Ghettos" in NRW-Großstädten. Die Probleme am Wohnungsmarkt sind vielschichtig: Im Ruhrgebiet stehen Mietshäuser leer. In rheinischen Großstädten wie Köln und Düsseldorf sind bezahlbare Wohnungen knapp.
Wie das Pestel-Institut in Hannover am Montag (10.09.2012) mitteilte, fehlen in Nordrhein-Westfalen knapp 1,2 Millionen Sozialwohnungen. Der Deutsche Mieterbund in NRW hält diese Zahl für realistisch. "Öffentlich geförderte, preisgünstige Wohnungen sind dringend nötig, um den Wohnungsmarkt insgesamt zu entlasten" sagte die Geschäftsführerin des Mieterbunds Nordrhein-Westfalen, Elisabeth Gendziorra, zu WDR.de.
Kritik an "abschreckenden" Vorschriften
In gefragten Metropolen entlang der Rheinschiene drohen nach Meinung von Gendziorra "drastische Mietsteigerungen", weil der Wohnungsmarkt wegen fehlender preisgünstiger Angebote zu angespannt sei.
Die Vermieter verweisen hingegen auf teils "abschreckende" Vorschriften für Investitionen in Sozialwohnungen. Bauherren müssten hohe Standards etwa bei der energetischen Gebäudesanierung und der Barrierefreiheit erfüllen, sagte der Verbandsdirektor von Haus & Grund Rheinland, Erik Uwe Amaya. Dass die Politik über die steuerliche Absetzbarkeit der energetischen Sanierung noch nicht entschieden habe, sei ein weiteres Investitionshemmnis.
Das böse G-Wort
Seit Jahren wächst die Attraktivität citynaher Stadtviertel. Wissenschaftler sprechen vom Prozess der Gentrifizierung, angelehnt an den englischen Begriff "gentry" für den niederen Adel. Hierbei wird die angestammte, einkommensärmere Einwohnerschaft schleichend aus zentral gelegenen "In"-Quartieren verdrängt. Teure Sanierungen und Neubauten sorgen für steigende Mieten, die sich nur noch einkommensstarke Bewohner leisten können. Beispiele in NRW sind etwa Düsseldorf-Flingern-Nord, Köln-Ehrenfeld oder das Dortmunder Kreuzviertel. Bundesweit ist Gentrifizierung ein Streitthema vor allem in Berlin und Hamburg.
Ärmere Mieter finden dann teilweise nur noch in sozial problematischen Vorstadt-Siedlungen ein Zuhause. Minister Groschek sprach in einem seiner zahlreichen Sommerinterviews zum Thema "Luxus-Ghettos" gar von einer "Apartheid" zwischen Edelvierteln und Stadtteilen, "in denen Heuschrecken-Unternehmen Hartz IV-Empfänger als Mieter nehmen, um Geld vom Amt zu kassieren, aber nichts in die Häuser investieren".
Besserverdienende nach Düsseldorf?
Rund 850 Millionen Euro stellt das Land NRW pro Jahr für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Doch wie die Städte das Angebot nutzen, ist höchst unterschiedlich. 2011 nahm Köln 66 Millionen Euro in Anspruch. Während auch Münster Mittel in Höhe von 40 Millionen Euro abrief, waren es bei Düsseldorf nur 12,5 Millionen Euro - was Minister Groschek ärgert: "Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Besserverdienende ein Zuhause in Düsseldorf bekommen sollen, während sozial nicht so gut ausgestattete Bürger und Bürgerinnen nach Köln verwiesen werden." Diese Arbeitsteilung sei aber nicht zu vertreten. Sozialer Wohnraum sei in allen Städten von NRW notwendig.
Zumal die Zahl der Sozialwohnungen im Land in den letzten zehn Jahren um 40 Prozent zurückging. Pro Jahr verschwinden laut Pestel-Institut 46.000 Sozialwohnungen vom Markt, weil die vertraglich vereinbarte Frist der Mietpreisbindung ausläuft. Vermieter können seither die Miete ordentlich erhöhen.
Ende des vergangenen Jahres wurden landesweit 543.983 Sozialwohnungen gezählt. Im Jahr 2000 waren es noch 970.000. Allein in Düsseldorf ist die Zahl der Sozialwohnungen in den vergangenen zehn Jahren von knapp 37.000 auf 20.000 zurückgegangen. In Köln waren es vor 15 Jahren über 100.000 Sozialwohnungen, heute sind es knapp 50.000.
Leerstände im Ruhrgebiet
In wirtschaftlich schwächeren Regionen stehen dagegen Wohnungen leer. In einzelnen Stadtteilen des Ruhrgebiets konzentrieren sich diese Leerstände nach Angaben des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen "auf schlechte Gebäudelagen und schlechte Gebäudequalitäten". Oftmals sind auch Mietshäuser betroffen, die von anonymen Fonds aufgekauft und dann abgewirtschaftet wurden.
In einem Stadtplanungsbericht für Oberhausen ist beispielsweise etwas verharmlosend von "Straßenraum mit geringer Aufenthaltsqualität" und einem "leerstehenden Gebäude mit Sanierungsbedarf" die Rede. Bauminister Groschek schlug deshalb vor, in Regionen mit großflächigen Leerständen und vielen Schrottimmobilien "häufiger die Abrissbirne" einzusetzen.