Fast fünf Jahre ist das neue Landeswahlgesetz nun schon alt, zum Tragen kam es aber erst ein einziges Mal - bei der letzten Landtagswahl 2010. Konnten die Wähler bis dahin mit nur einer einzigen Stimme über die Zusammensetzung des NRW-Landtages entscheiden, so verfügen sie nun über eine sogenannte Erst- und eine Zweitstimme. Mit der Reform des Wahlrechts im Jahr 2007 hatte Nordrhein-Westfalen das Wahlsystem übernommen, das auch bei der Bundestagswahl zum Tragen kommt. Mit der Erststimme kann ein Kandidat aus dem jeweiligen Wahlkreis direkt gewählt werden. Die Zweitstimme wiederum bestimmt, wie viele Abgeordnete über die Landesliste der Parteien ins Parlament einziehen.
Das Zwei-Stimmen-System ermöglicht es, seine Stimme aufzuteilen. "Vor allem Wähler kleiner Parteien können im Wahlkreis eine 'Koalitionsstimme' abgeben", erklärt Wahlexperte David Gehne von der Uni Düsseldorf. Denn Kandidaten kleinerer Parteien haben meist keine Chance auf ein Direktmandat. Nun könnten die Parteien aber als potenzieller Koalitionspartner gestärkt werden.
Größeres Parlament ist möglich
Einen Effekt könnte die Änderung des Wahlrechts weiterhin haben: eine Vergrößerung des Landtags. 128 der mindestens 181 Sitze werden im Landtag über Direktmandate vergeben. Durch die hohe Zahl dieser direkt vergebenen Mandate könnte der nordrhein-westfälische Landtag deutlich größer werden. Denn es ist möglich, dass die Partei, die die meisten Direktmandate erzielt, dadurch mehr Sitze erhalten würde, als ihr nach dem Anteil der Zweitstimmen mathematisch eigentlich zustünden. Diese Sitze - sogenannte Überhangmandate - erhält sie trotzdem. Die anderen Parteien erhalten entsprechend der Stimmenverteilung Ausgleichsmandate - und das Parlament wächst. Bei der letzten Wahl 2010 kam es jedoch nicht zu diesem Effekt, es gab keine Überhangmandate.
Landeslisten und Wahlkreisbewerber
Bis Dienstag (10.04.2012) hatten die Parteien und Gruppierungen Zeit, ihre Wahlvorschläge einzureichen. Kreiswahlvorschläge – die sogenannten Direktkandidaten, die mit der Erststimme gewählt werden – müssen bei den zuständigen Kreiswahlleitungen eingereicht werden, Wahlvorschläge für die Landeslisten (Zweitstimme) bei der Landeswahlleiterin. Wahlvorschläge können aber nicht von jedem eingereicht werden: Landeslisten können nur von Parteien eingereicht werden. Dafür benötigen Parteien, die weder im NRW-Landtag noch im Bundestag vertreten sind, 1.000 Unterstützungsunterschriften von Wahlberechtigten aus NRW. Die Parteien benötigen auch für die Einreichung von Kreiswahlvorschlägen (Direktkandidaten) Unterstützungsunterschriften. Hierbei genügen 100 Unterschriften von Wahlberechtigten aus dem entsprechenden Wahlkreis. Auch Wählergruppen und Einzelbewerber können sich so um ein Direktmandat bemühen, ohne einer Partei anzugehören. Bislang ist es allerdings in Nordrhein-Westfalen noch niemandem gelungen, ohne die Unterstützung einer Partei in den Landtag einzuziehen.