Wahlprogramme im Vergleich: Umwelt, Klima, Energie
Stand: 25.04.2012, 06:00 Uhr
Die Wende hin zu erneuerbaren Energien soll kommen, darin sind sich die Parteien einig. Über Weg und Dauer gibt es allerdings sehr unterschiedliche Positionen. Die einen wollen einen schnellstmöglichen Abschied von der Kohle, andere sehen Kohlebergbau und -verstromung als unvermeidliche Brückentechnologie.
SPD: Anstrengungen im Klimaschutz verstärken
Für die SPD steht fest: "Nordrhein-Westfalen ist Industriestandort und muss es bleiben." Um die Position zu stärken, sollen die Anstrengungen im Klimaschutz verstärkt werden: "Es zeigt sich, dass die Leitmärkte der Zukunft eine ausgeprägte ökologische Dimension aufweisen", heißt es im Wahlprogramm. Rohstoffe und Energie sollen effizient genutzt werden, ein integrierter Energie- und Klimaschutzplan soll helfen, dass NRW die nationalen und internationalen Klimaschutzziele erreicht. Der Umbau zu einer nachhaltig wirtschaftenden Gesellschaft dürfe jedoch nicht zu unzumutbaren Belastungen für die Menschen mit geringem Einkommen führen.
Die SPD will erneuerbare Energien ausbauen, Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen sollen gefördert, Gebäude energetisch saniert werden. Gleichzeitig heißt es im Wahlprogramm: "Für eine Übergangszeit werden wir eine sichere und bezahlbare Versorgung mit Strom aber nur mit konventionellen Kraftwerken möglichst in Kraft-Wärme-Kopplung auf Basis fossiler Energieträger sicherstellen können." Atommüll soll laut SPD-Programm "nur noch einmal transportiert werden, und zwar in ein Endlager". Den von der Bundesregierung geplanten Transport der radioaktiven Abfälle des Forschungsreaktors in Jülich ins Zwischenlager nach Ahaus lehnt die Partei ab. Die Erdgasgewinnung durch die Fracking-Methode hält die Partei für ein "unkalkulierbares Risiko" und lehnt sie ab, um die Sicherheit des Trinkwassers nicht zu gefährden.
CDU: Ja zu Datteln IV, Nein zum Landesklimaschutzgesetz
Die CDU stellt der rot-grünen Regierung der vergangenen zwei Jahre "eine erbärmliche Bilanz auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien" aus. Ihr Ziel ist es, die landesplanerischen Voraussetzungen für den Netzausbau, neue Speichertechnologien und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu schaffen. Ein landesspezifisches Klimaschutzgesetz, wie es Rot-Grün geplant hatte, soll es nicht geben. Das Wahlprogramm beinhaltet ein klares Bekenntnis zur Braunkohle "als einzigem heimischem fossilen Energieträger, der wirtschaftlich eingesetzt werden kann". Vorhandene Kraftwerke sollen modernisiert oder durch hocheffiziente fossile Kraftwerke ersetzt, das umstrittene Kohlekraftwerk Datteln IV soll weitergebaut werden. Dabei will man die "Entscheidung über eine sichere und emissionsarme Energieversorgung nicht wie Rot-Grün den Gerichten überlassen".
Die CDU bekennt sich in ihrem Programm zum Naturschutz: "Dazu gehört, dass wir es für sinnvoll halten, Naturräume an geeigneten Stellen vor menschlichem Zugriff zu schützen." Zwischen der Nutzung der Natur und dem Schutz der Natur sieht die Partei keinen Widerspruch. "Naturschutz als Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen bedeutet zuallererst: Schutz der Nutzbarkeit der Natur für den Menschen." Die Förderung von "technisch-wissenschaftlichen Innovationen zur Nutzbarmachung der Natur" ist für die CDU "integraler Bestandteil" ihrer Politik. Dabei verpflichtet sich die Partei zur Nachhaltigkeit im Sinne der Bewahrung der Schöpfung.
Bündnis 90/Die Grünen: Möglichst schneller Ausstieg aus der Kohleverbrennung
Für die Grünen sind Klimaschutz und Energiewende die beiden Themen, die den notwendigen Umbau des Wirtschaftsstandortes NRW am stärksten prägen werden. Die Bekämpfung des Klimawandels ist laut Wahlprogramm "die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts". Das Energiesystem soll umgebaut und auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Zudem sollen Effizienz gesteigert, Energie gespart und Innovation gefördert werden – auch in Hinblick auf eine dezentrale Versorgung. Hocheffiziente Gas- und Dampfkraftwerke sollen ausgebaut werden. Die Grünen wollen den Anteil der Windenergie bis 2020 auf mindestens 15 Prozent ausbauen. In jedem Regierungsbezirk des Landes soll eine modernste Referenz-Wasserkraftanlage gebaut werden, um die Ausbaupotenziale der Wasserkraft zu nutzen. Weiter soll ein Landesförderprogramm zur Kraft-Wärme-Kopplung eingerichtet werden.
Den Bau von neuen Kohlekraftwerken halten die Grünen für eine "Irrweg", Kohlekraftwerke seien "keine Brückentechnologie". Auch der Einsatz von CO2-Speichermethoden berge zu viele Gefahren und offenen Fragen. Dem Ausstieg aus der Atomkraft müsse möglichst bald ein "Auslaufen der Kohleverbrennung" folgen. Die Grünen wollen die Urananreicherungsanlage Gronau rechtssicher beenden, die Atommüllanlage GNS in Duisburg soll nach außerhalb dicht besiedelter Gebiete verlegt werden. Atomtransporte quer durch NRW lehnen die Grünen ab. Die Castor-Behälter sollen nur noch einmal transportiert werden – "nämlich zu einem Endlager, wenn hierfür ein Standort gefunden ist". Die Notfallpläne für Uranhexafluorid-Transporte will die Partei gründlich überprüfen. Die Fracking-Methode soll so lange nicht genehmigt werden, bis ein Gutachten zu den Risiken vorliegt.
FDP: Netze ausbauen, Solarförderung senken
Die FDP will die Energiewende in NRW "vernünftig" gestalten, Energie müsse bezahlbar und sicher bleiben. Dafür ist laut Wahlprogramm der Bau von hochmodernen Gas- und Kohlekraftwerken unverzichtbar, da eine schwankungsfreie Energieversorgung mittelfristig nicht mit erneuerbaren Energien zu leisten sei. Deshalb spricht sich die Partei in ihrem Programm für die Fertigstellung des Kohlekraftwerks Datteln IV aus. Das Kraftwerk leiste einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Stromversorgung in NRW. Weiter setzt sich die Partei für einen umfassenden Netzausbau ein, die Forschung im Bereich der Speichertechnik müsse weiter intensiv unterstützt werden.
Das Klimaschutzgesetz von SPD und Grünen lehnt die FDP ab, da es keinen "substanziellen Beitrag zum Klimaschutz" leiste und stattdessen Mittelstand und Industrie belaste. Die Partei will die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung neu regeln. Zudem will die Partei die Solarförderung auch weiterhin den sinkenden Anlagenpreisen anpassen. Die Verbraucher sollten vom technischen Fortschritt der Photovoltaik profitieren, anstatt überhöhte Profite von Investoren zu finanzieren.
Die Linke: Kostenloser Grundtarif für Strom und Gas
Die Linke fordert in ihrem Wahlprogramm das Ende der Castor-Transporte sowie eine Schließung der Urananreicherungsanlage in Gronau. Zudem spricht sich die Partei gegen den Energieträger Kohle aus. Der Braunkohleabbau soll schnellstmöglich gestoppt sowie Braunkohlekraftwerke stillgelegt werden. Mittelfristig soll auch der Ausstieg aus der Steinkohleverstromung erfolgen. Um einen schnellen Umstieg auf einen hundertprozentigen Anteil erneuerbarer Energien zu gewährleisten, sollen die Energiekonzerne RWE und Eon "durch Dezentralisierung und Demokratisierung entmachtet werden". Die Energienetze sollen in öffentliches Eigentum überführt werden. Der Grundbedarf an Strom und Gas soll kostenlos zur Verfügung gestellt werden, bei hohem Verbrauch sollen entsprechend progressive Tarife gelten. Zudem soll die Steuerbefreiung für energieintensive Unternehmen rückgängig gemacht werden. Die Fracking-Methode lehnt die Linke in ihrem Programm ab, auch Probebohrungen sollen verhindert werden.
Die Linke will ein Zukunftsinvestitionsprogramm begründen, das den ökologischen Umbau sozial gestaltet. Die CO2-Reduktionsziele des rot-grünen Klimaschutzgesetzes seien "vollkommen unzureichend", zudem müsse das Gesetz auch für den Produktionsbereich und den Straßenverkehr gelten. Es soll eine Art "Solidaritätszuschlag" eingeführt werden, um die Kosten der Energiewende zu decken.
Piratenpartei: Atomausstieg soll sich selbst steuern
Für die Piratenpartei muss sich erfolgreiche Umweltpolitik ständig am Möglichen und Erwünschten messen und Impulse für die Zukunft geben. "Die Formulierung von verbindlichen Zielen innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens lehnen wir ab", heißt es im Wahlprogramm. Die Piratenpartei fordert einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang und eine faire Verteilung der Ressourcen. Bei erneuerbaren Ressourcen sollen Verbrauch und Regeneration im Gleichgewicht sein. Bei nicht nachwachsenden Ressourcen wird die Einführung einer möglichst regionalen Kreislaufwirtschaft angestrebt. Die Piraten wollen die Strom- und Wärmeerzeugung dezentralisieren und die Netzstruktur entsprechend anpassen. Ziel ist es laut Wahlprogramm, "eine Vielfalt innovativer lokaler Energieerzeuger aufzubauen und den Einfluss bestehender Oligopole zu verringern". Dies soll durch entsprechende Fördergelder des Landes möglich gemacht werden. Der Fokus soll dabei insbesondere auf der Kraft-Wärme-Kopplung liegen. In der Zeit des Übergangs zu klimaneutraler Energieerzeugung sollen flexible Gaskraftwerke unflexiblen großen Kohlekraftwerken vorgezogen werden. Die Lagerung von CO2 in Böden und Gewässern lehnt die Piratenpartei ab.
Die Piratenpartei hat das Ziel eines sich selbst steuernden Atomausstiegs "ohne das Risiko langer Schadensersatzprozesse oder politischer Verschleppungstaktiken". Dies soll ermöglicht werden, indem die finanzielle Unterstützung des Baus und Betriebs von Anlagen sowie der Infrastruktur sofort eingestellt wird. Die Betreiber sollen für alle Anlagen vollumfängliche Haftpflichtversicherungen abschließen sämtliche Kosten für Entsorgung, Stilllegung und Rückbau selbst übernehmen. Zudem sollen Brennelemente angemessen besteuert werden.