"Wie lange sammeln Sie eigentlich noch Unterschriften?" fragt eine ältere, sehr braun gebrannte Dame mit Pagenkopf. "Bis wir 8.000 Stück zusammenhaben", erklärt Werner Hüsken. Die Dame versteht sofort: "Aha, Sie sind hartnäckig." Werner Hüsken, 58 Jahre, nickt, das beige-gestreifte Hemd spannt über dem Bauch. Doch das gemütliche Äußere trügt, Hüsken hat Ehrgeiz. "Ich arbeite nicht gern umsonst. Wenn ich eine Sache anfange, dann will ich sie mit Erfolg zu Ende bringen. Wir bekommen die 8.000 Unterschriften." Er ist Frührentner, deswegen hat er Zeit: Er spricht neun Stunden am Tag Passanten in der Fußgängerzone an, führt sie zum Klapptisch, lässt sie auf einer Liste unterschreiben. Bis Samstag (14.08.2010) wollen er und seine Truppe die Unterschriften zusammen haben. 6.800 Signaturen mit Adresse und Geburtsdatum stecken bereits in Hüskens schwarzer Aktentasche.
Abwahl der "politisch Verantwortlichen"
Und das ist der Plan: Hüsken will einen Einwohnerantrag gemäß Paragraph 25 der Gemeindeordnung an den Rat der Stadt Duisburg eingeben: Er und einige Mitstreiter fordern darin die Abwahl des Oberbürgermeisters Adolf Sauerland (CDU), die Abberufung des Sicherheitsdezernenten Wolfgang Rabe sowie des Baudezernenten Jürgen Dressler. Hüsken hält sie für die "politisch Verantwortlichen" des Loveparade-Unglücks, die "diverse Hinweise auf Sicherheitsmängel nicht beachtet", die Genehmigung "durchgepeitscht" hätten und anschließend "die Opfer zu Tätern machen wollen". So formuliert er es im Antrag. Im Unterschied zum einfachen Bürgerantrag müssen sich die 74 Abgeordneten im Rat der Stadt Duisburg in der Sitzung Ende August zwingend mit dem Einwohnerantrag befassen.
Früher trug er Kröten über die Straße
"Seit ich ihn kenne, mischt er sich ein, will ein Stück weit die Welt verbessern. Das steckt ganz tief in ihm drin", sagt seine Ehefrau Ulrike, mit der Hüsken seit 35 Jahren verheiratet ist. Seit Jahrzehnten ist der frühere Krankenpfleger ehrenamtlich für Naturschutzverbände aktiv. Als ihre vier Söhne noch klein waren, trugen sie mit dem Vater Kröten über die Straße. Er kämpfte, um eine Rheinbrücke bei Dinslaken zu verhindern und den Bau einer Klärschlammfabrik. Er weiß, wie man Behörden und Verwaltungen mit Anträgen und Stellungnahmen zur Weißglut treibt. Doch noch nie hat Hüsken so viel Aufmerksamkeit bekommen wie mit dem Abwahlantrag.
Demokratie ist langwierig
Mittlerweile kennt man ihn in Duisburg. "Ich finde es ehrlich großartig, dass Sie sich hier hinstellen", sagt Dorothee Tiedtke, nachdem sie ihren Namen auf die Liste gesetzt hat. Hüsken erzählt ihr vom Auslöser für die Aktion: Sein Sohn wollte am 24. Juli 2010 seinen 21. Geburtstag auf der Loveparade feiern. Erst nach stundenlangem Warten konnten ihn seine Eltern wohlbehalten in den Arm nehmen. Irgendwann bittet ihn die Schmuckverkäuferin von gegenüber, nicht immer Passanten direkt vor ihrer Ladentür anzusprechen, sonst könne niemand ihr Geschäft betreten. Hüsken bleibt freundlich. Wenn die Mitbürger seinen Idealismus nicht teilen, muss er umso hartnäckiger sein: "Ohne Leute zu nerven, wird deine Sache schnell von der Tagesordnung verschwinden." Demokratie ist langwierig, das weiß er aus Erfahrung.
Mitstreiter: Hüsken ist Mann mit Rückgrat
Deswegen schätzen ihn seine Mistreiter in Sachen Einwohnerantrag als Mann mit Rückgrat, der für seine Überzeugungen eintritt. Peter Heß, Geschäftsführer des Mieterschutzbundes, sagt: "Er ist sehr engagiert und hat das Ziel klar vor Augen. 8.000 Unterschriften sind eine Menge, das kostet Kraft und Mühe." Am Stand spricht Hüsken nun mit einer Frau in violetter Bluse. Sie fragt: "Es gibt tatsächlich Duisburger, die hier nicht sofort unterschreiben?"
Höhepunkt der Aktivistenkarriere?
Die gibt es und zwar viele. "Ein Rücktritt kann die Toten nicht wieder lebendig machen", sagt eine Dame. Oder: "Sauerland ist nicht allein Schuld, es gibt viele Schuldige." Hüsken akzeptiert das, gibt Listen mit, bittet, die Sache zu überdenken. "Hetze ist der falsche Weg. Und überreden will ich niemanden", sagt er. Früher trug er Frösche über die Straße, nun kämpft er gegen einen Bürgermeister. Es könnte die bedeutendste Station einer langen Aktivistenkarriere werden: "Wenn das gelingt, wäre es tatsächlich der Höhepunkt", sagt Hüsken.