Sigurd-Christian Evers ist einer von vier Autoren des Kulturhauptstadt-Projekts "Designkiosk Ruhr". Er entwirft Projekte zur Stadtentwicklung und Kulturförderung. Seit 2005 berät und begleitet Sigurd-Christian Evers die Stadt Castrop-Rauxel bei Umstrukturierungsmaßnahmen. Aktuell betreut er neben den Designkiosken auch die Kooperation mit der TU Dortmund für den "Mobilen Designkiosk".
WDR.de: Süßigkeiten dienen dem Genuss, Zeitschriften der Unterhaltung und Information, wofür kaufen Sie Design?
Evers: Es sind einfach schöne, praktische Dinge, die die Lebensqualität verbessern, den Alltag bereichern. Gegenstände, die nicht seriell gefertigt wurden, sondern die eine Produktionsgeschichte haben, eben die Geschichte ihres Designers. Einige sind endlich, können nicht unbegrenzt hergestellt werden und sind handgemacht. Auch in unserer Edition gibt es drei limitierte Objekte.
Schwerpunkt
WDR.de: Lebensqualität in Form von Design gibt es nun am Büdchen zu kaufen. Wieso dort?
Evers: Buden sind typisch für das Ruhrgebiet. Es sind im Grunde Kleinst-Kaufhäuser mit unterschiedlichen Abteilungen. Wir haben das Angebot nun um eine Designabteilung erweitert. Die Kioske sind interessant, weil sie kommunikative, öffentliche Orte, eben Treffpunkte sind. Für Leute aus dem Quartier und nun auch für Designliebhaber aus dem Umland. Alle Designkioske zusammen bilden dezentrale Spielorte, verteilt über das ganze Ruhrgebiet. Zusätzlich gibt es noch einen mobilen Kiosk und spezielle Falträder, die an drei Kiosken ausgeliehen werden können, um das Quartier zu erkunden.
WDR.de: Wie ist das Projekt zustande gekommen?
Sigurd Evers: Es gab einen Auftrag vom Verein "Bochum Design" ein Konzept für die Kulturhauptstadt zu entwickeln. Dabei wollten wir den gesamten Raum des Ruhrgebiets einbinden, eine möglichst interessante Präsentationsform finden, und das Ganze ausdrücklich mit europäischer Beteiligung. Ziel war auch, eine eigene Design-Edition für das Projekt zusammenzustellen.
WDR.de: Über 200 internationale Designer haben sich mit ihren Objekten für die Edition beworben, 30 haben wurden ausgewählt. Nach welchen Kriterien?
Evers: Es sollten handgemachte Produkte sein, die eine bestimmte Größe nicht überschreiten sollten. Wir haben außerdem einen maximalen Herstellungspreis und einen Verkaufspreis von höchstens 20 Euro vorgegeben. Eine externe Jury hat dann ausgewählt.
WDR.de: Haben Sie Favoriten?
Evers: Mir gefallen die Ruhrsteine gut. Es sind flache, aus Beton gegossene Steinimitate. Wegwerfprodukte. Im Internetverkauf führen derzeit die "Pottlappen" und die Schmuck-Anhänger aus Kohlenstaub. An den Verkaufszahlen können wir auch schon ablesen, welche Produkte wir bald bei den Designern nachbestellen müssen - und wer von ihnen eine Urlaubssperre von drei Monaten bekommt, weil nachproduziert werden muss.
WDR.de: Welche Kriterien waren bei der Auswahl der Kioske entscheidend?
Evers: Es sollte mindestens ein Kiosk in Bochum beteiligt sein, weil hier auch "Bochum Design" sitzt und parallel die Retrospektive des Bochumer Designpreises in der Jahrhunderthalle läuft. Außerdem sollte in der direkten Umgebung jeder Bude ein besonderes Viertel oder eine kulturelle Sehenswürdigkeit verortet sein - Zeche Zollverein, Tetraeder, Bergbaumuseum. Besucher, die wirklich die 30 Kioske ansteuern, haben einen einzigartigen Überblick über die unterschiedlichsten Ruhrgebiets-Lebenswelten - bis hin nach Marxloh, wo es die Moschee zu sehen gibt. Mehr Ruhrgebiet geht nicht.
WDR.de: Viele Kulturhauptstadtprojekte punkten mit ausgefallenen Ideen. Wie beantworten Sie die Frage nach der Nachhaltigkeit?
Evers: Das Projekt ist für uns auch eine Versuchsanordnung für zukünftige Projekte über das Kulturhauptstadtjahr 2010 hinaus. Wir haben den Wunsch, dass gutes Handwerk im Ruhrgebiet auch weiterhin Bestand haben soll, auch und gerade in Form von Design. Die Designkioske könnte man als Biennale wiederholen, vielleicht können sie sich sogar als feste Vertriebsstellen etablieren. Das wird sich nun zeigen, ob das Konzept angenommen wird - auch aus einer wirtschaftlichen Überlegung heraus.
WDR.de: Oft ist von der "Metropole Ruhr" die Rede - eine Utopie oder im Jahr 2010 nahezu Realität?
Evers: Die Kulturhauptstadt ist eine Chance. Netzwerke aufzubauen ist wichtiger denn je, und das passiert durch viele Projekte. Es müssen dringend neue Formen der Zusammenarbeit und der Präsentation nach außen gefunden werden.
WDR.de: Welche Hindernisse sehen Sie noch für das Ruhrgebiet, bis es kulturell mit Berlin, Hamburg oder München gleichziehen kann?
Evers: Eine weniger dezentrale Kommunalpolitik könnte dabei helfen, Entwicklungsprozesse zu beschleunigen. Außerdem fehlt etwa eine Zeitung mit einem guten, übergreifenden Kulturteil, in dem man erfährt, was in anderen Stadtteilen los ist. Teilweise ist es auch der Minderwertigkeitskomplex der Kulturschaffenden selbst, die den Wettbewerb mit anderen scheuen. Wichtig ist vor allem, dass hier eine Szene entsteht, dass hier gute Leute arbeiten. Dabei ist egal, ob sie von hier oder von außen kommen. Wir haben mit attraktiven Räumen wie alten Zechen oder Stahlwerken den Raum, die Hardware, für Kultur, aber es fehlt oft noch an der Software.
Das Gespräch führte Insa Moog.