Ungewohnte Bilder im großen Saal der Auslandsgesellschaft hinter dem Dortmunder Hauptbahnhof. Zahlreiche Kleinkinder und deren Mütter wuseln durcheinander. Die Kleinen wollen der Vorsitzenden der Deutsch-Japanischen Gesellschaft, Yoko Schlütermann, einen Scheck überreichen. 365 Euro haben sie verdient. Mit Bildern, die sie im Kindergarten gemalt und anschließend in ihrem Umfeld verkauft haben.
Die Erzieherin Perdita John berichtet, "im Kindergartenalltag stellten wir fest, dass das Thema Japan die Kinder sehr berührt. Sie erzählten uns von Bildern aus dem Fernsehen, viele träumten sogar davon. Das war ein Zeichen für uns, dieses Thema aufzugreifen und in einem Projekt zu vertiefen. Die Kinder wollten spontan helfen. So kam es zu der Malaktion."
Eigene Kontakte genutzt
Yoko Schlütermann ist sichtlich gerührt vom Engagement der Kleinen. Sie wendet sich direkt an sie und sagt: "Ich verspreche euch, dass das Geld bei den japanischen Kindern ankommt." Die Vorsitzende der Deutsch-Japanischen Gesellschaft wusste bereits zwei Tage nach der Katastrophe, dass sie selbst aktiv werden wollte. Ein eigenes Projekt sollte es sein, eins, das man nachverfolgen und selbst managen kann. Dann rief Klaus Wegener bei ihr an.
Der Präsident der Auslandsgesellschaft NRW hatte ähnliche Pläne. "Mit unseren Mitteln können wir nicht die Welt retten, aber wir wollen langfristig helfen." So kommt es, dass jetzt Kinder aus dem Krisengebiet evakuiert und nach Okinawa gebracht werden sollen. Yoko Schlütermann, die seit 40 Jahren in Deutschland lebt und ihren Mann vor 30 Jahren bei der Auslandsgesellschaft kennenlernte, nutzte ihre eigenen Kontakte in Japan. Mit dem japanischen Jugendherbergsverband der Präfektur Okinawa wurde ein Kooperationspartner vor Ort gefunden. Yoko Schlütermann hat vom dortigen Jugendherbergsmanager die Zusage erhalten, dass die Räumlichkeiten der Jugendherberge kostenlos zur Verfügung gestellt werden. "Okinawa ist gut 2.000 Kilometer von der Krisenregion entfernt. Die Unterbringung kostet dort pro Kind und Monat 650 Euro. Mit diesem Geld werden die Betreuer bezahlt, darunter Ärzte und Psychologen und der tägliche Bedarf der Kinder, insbesondere das Essen."
Die ersten Kinder sollen jetzt umziehen
Seit Tagen läuft in den Notunterkünften im Krisengebiet eine Vorauswahl der Kinder. "Erste Anfragen sind aus den Präfekturen Iwate, Ibaragi und Fukushima eingegangen. Die Präfektur Okinawa hat bereits Beamte geschickt, um zu klären, welche verwaisten Kinder evakuiert werden sollen", berichtet Yoko Schlütermann. Anfang nächster Woche sollen die ersten nach Okinawa gebracht werden. Die Dortmunder Helfer hatten ursprünglich einen Aufenthalt von einem Monat geplant. Angesichts der alarmierenden Meldungen von den havarierten Reaktoren in Fukushima denken sie mittlerweile eher an ein Jahr. Ein Blog soll auf Deutsch und Japanisch über das Leben der Opfer in Okinawa berichten, sobald die ersten Personen dort eintreffen. Klaus Wegener ist optimistisch: "Wir erhalten Spenden von Firmen und Privatleuten aus dem Dortmunder Raum, aus dem Sauerland und aus Sachsen. Dort besteht nämlich seit 10 Jahren ein Kinderaustausch mit Okinawa."
Optimistisch stimmt ihn auch der Umstand, dass sich bereits andere Organisationen und Spendensammler bei der Auslandsgesellschaft gemeldet und ihre Unterstützung versprochen haben. Der größte japanische Fernsehsender hat bereits über das Dortmunder Hilfsprojekt berichtet.
Spendenaufkommen in Deutschland
Die Japaner haben nach Informationen von Yoko Schlütermann bereits 400 Millionen Euro für ihre Landsleute in Not gespendet. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen, DZI, hat Ende vergangener Woche bundesweit 17 Millionen Euro Spenden für Japan errechnet. Die Zahlen stammen aus einer Umfrage des DZI bei insgesamt 24 Hilfswerken und Spendenbündnissen. Die größten deutschen Spendensammler für Japan waren bisher das Deutsche Rote Kreuz, das Bündnis "Aktion Deutschland Hilft", der Deutsche Caritasverband sowie die Diakonie Katastrophenhilfe.
Weitere Hilfsangebote
Unter dem Dach der "Aktion Deutschland Hilft" verteilt World Vision in der Präfektur Miyagi 23.000 Betten an Betroffene, die bereits wieder in ihre Häuser zurückgekehrt sind. Die action medeor beginnt über einen lokalen Partner mit der Behandlung von traumatisierten Tsunami-Betroffenen. CARE betreut zurzeit 900 Menschen in der am stärksten vom Tsumami betroffenen Region Iwate. Sie erhalten unter anderen Wasser, Atemmasken, Hygieneartikel und Lebensmittel. In Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden im Krisengebiet stellt ADRA (Adventist Development and Relief Agency, eine anerkannte Nicht-Regierungsorganisation) Notunterkünfte bereit und verteilt warme Mahlzeiten an etwa 1.000 Menschen. Außerdem werden Decken und Schlafmatten an Obdachlose ausgegeben.
World Vision versorgt 6.000 Menschen in der Stadt Tome mit Decken, Wasser, Sanitär- und Hygieneartikeln. Außerdem werden spezielle Zentren eingerichtet, in denen sich Kinder von den traumatischen Erlebnissen erholen können. Nach ersten Erkenntnissen der Helfer vor Ort sind zehntausende Kinder obdachlos geworden. Außerdem ist eine noch nicht bekannte Zahl von Kindern von ihren Eltern getrennt oder verwaist. Die Malteser International unterstützen ein Kinderheim für Kinder und Jugendliche zwischen zwei und achtzehn Jahren in der Kleinstadt Ichinoseki.