Etwa eine Stunde vor der Pressekonferenz sickert die Neuigkeit durch und weckt das politische Düsseldorf aus dem herbstlichen Ferienschlummer. Das Pressezentrum im Landtag, in dem es am Morgen bei CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann und seiner 100-Tage-Bilanz noch sehr beschaulich zugegangen ist, füllt sich bis auf den letzten Platz. Kamerateams, Fotografen, Journalisten - sie alle sind hier, um den Abgang des nächsten politischen Schwergewichts nach Jürgen Rüttgers zu erleben: Der frühere Vize-Ministerpräsident Professor Andreas Pinkwart zieht sich aus der großen Politik zurück.
Wissenschaft statt Politik
Pinkwart sieht gefasst aus. Er trägt Anzug und blau-weiß gestreifte Krawatte, nicht den grauen Pullover, mit dem er sich auf Wahlplakaten hat fotografieren lassen. Seine Erklärung liest er vom Blatt ab. Ende März, sagt er, gibt er sein Landtags-Mandat zurück. Bis dahin tritt er auch als Vorsitzender des FDP-Landesverbands ab. Beim Bundesparteitag im kommenden Mai will er auch nicht mehr als Parteivize antreten. Stattdessen wird der frühere NRW-Innovationsminister Rektor der privaten Handelshochschule Leipzig. Zum 1. April 2011 übernimmt er dort die Professur für Innovationsmanagement und Entrepreneurship (Unternehmertum).
"Es hat fast immer Spaß gemacht"
Pinkwart hebt den Kopf und lächelt in die hektisch klickenden Kameras. Eine Abschiedsrede wolle er nicht halten, sagt er und tut es doch. Artig lobt er die Vorzüge des neuen Arbeitgebers, einer der, wie er sagt, führenden Business-Schulen Deutschlands. Er blickt zurück auf die vergangenen acht Jahre als FDP-Vorsitzender. Sie hätten "nicht immer, aber fast immer Spaß gemacht". Als er 2002 den Vorsitz von Jürgen Möllemann übernahm, war "die Lage auch nicht rosig", sagt er und weist dann alle Spekulationen von sich, dass er der FDP jetzt von der Fahne gehe, weil die Partei in schwieriger Lage ist. Sein Rückzug aus der Politik habe nichts zu tun mit der verlorenen Landtagswahl, nichts zu tun mit dem derzeitigen Umfragetief - nach einer Forsa-Umfrage erhielte die FDP momentan nur noch drei Prozent der Wählerstimmen. Und schließlich habe der komplette Rückzug aus der aktiven Politik auch nichts zu tun mit Rivalitäten in der eigenen Partei.
Dass es diese gab, bestreitet niemand, der die Landes-FDP in den vergangenen Monaten beobachtet hat. Meinungsverschiedenheiten gab es insbesondere zwischen Pinkwart und seinem Fraktionschef Gerhard Papke. So zeigte sich Pinkwart nach der verlorenen Landtagswahl offen für ein Dreierbündnis mit Roten und Grünen, während Papke das kategorisch ausschloss. Pinkwart gilt als politischer Brückenbauer, Papke als Provokateur. Und es war der Politikstil des Fraktionschefs, nicht der des Landesvorsitzenden, der in jüngster Zeit die öffentliche Wahrnehmung beherrschte.
Rivalitäten sollen keine Rolle gespielt haben
Das alles habe keine Rolle gespielt, beharrt Pinkwart. In ihm sei der Entschluss gereift, seine "beruflichen Prioritäten wieder umzukehren", wieder in Wissenschaft und Forschung tätig zu sein. Als der heute 50-Jährige Landesvorsitzender wurde, ließ er sich von seinem Arbeitgeber, der Universität Siegen, wo er Professor für Betriebswirtschaftslehre war, beurlauben. "Das kann man nicht ewig so fortsetzen", sagt Pinkwart. Allerdings habe nicht er sich nach einem neuen Betätigungsfeld umgesehen, die Handelshochschule sei auf ihn zugekommen. Es habe in jüngerer Zeit auch andere Anfragen gegeben. Aber diese Aufgabe sei wie auf ihn zugeschnitten. "So was kann man nicht ablehnen."
FDP muss sich jetzt mit sich selbst beschäftigen
Die endgültige Entscheidung zu dem radikalen Schritt sei Mittwochabend (20.10.2010) gefallen, sagt Pinkwart. Als Ersten habe er Parteichef Westerwelle telefonisch informiert. Einen Tag später dann die Fraktion. Seine Entscheidung sei akzeptiert und bedauert worden, sagt Pinkwart. Und entsprechend klangen am Donnerstag (21.10.2010) auch die öffentlichen Stellungnahmen aus der Partei.
Tatsächlich aber dürfte die Landes-FDP wenig begeistert sein vom überraschenden Coup ihres Vorsitzenden. Denn jetzt muss sich die FDP - wie die CDU - erst einmal mit sich selbst beschäftigen, anstatt die Minderheitsregierung geschlossen angreifen zu können. Wann und wie der neue Landeschef gewählt wird, ist unklar. Pinkwart fände ein Termin "in diesem Jahr" passend, doch das entscheidet der Landesvorstand. Ebenso, ob es eine Mitgliederbefragung gibt.
Nicht zuletzt bleibt die Frage, wer Pinkwart beerben soll. Als mögliche Nachfolger werden der aus NRW stammende Generalsekretär der Bundespartei, Christian Lindner, und Papke gehandelt. Vorschlagen werde er niemanden, sagt Pinkwart.
"Vielleicht ein anderes Mal"
Als alle Fragen beantwortet sind, erhebt sich Pinkwart. Interviews mag er nicht geben. "Heute nicht, vielleicht ein anderes Mal", sagt er im Hinausgehen. Doch ob es für Pinkwart noch ein anderes Mal geben wird?