Daniel Bahr kneift die Lippen zusammen. Um ihn rum, in der fünften Reihe in der Halle 3 der Westfalenhallen in Dortmund, haben sich bereits zahlreiche Kameraleute und Gratulanten aufgebaut. Als er dann wenige Minuten später sein Ergebnis hört, wirkt Bahr überrascht, "Ooooh", entfährt es ihm, dann lächelt er: 83,3 Prozent der Delegierten haben sich für den 34-Jährigen ausgesprochen. Im Vorfeld hatte Bahr noch verkündet, er wäre auch mit "50 Prozent plus X" zufrieden.
Warum tust Du Dir das an?
Nun also große Vorschusslorbeeren für den Mann aus Münster, der in den vergangenen Tagen noch von vielen Freunden vor seiner Kandidatur gewarnt worden sei, wie er in seiner Bewerbungsrede erzählte. Dabei wirkte Bahr nervös: Er trug schnell vor, verhaspelte sich hin und wieder, hangelte sich eng am Redemanuskript entlang. Etwas, was man sonst von dem in Talkshows und Debatten sehr redegewandt auftretenden Staatssekretär nicht gewöhnt ist.
Seine Freunde hätten ihm gesagt, so Bahr, die Lage der FDP sei so ernst, dass der Ausgang nicht vorhersehbar sei. Warum er sich das antun wolle? "Meine Antwort lautet: In guten Zeiten eine Aufgabe zu übernehmen, ist das eine. Aber in schwierigen Zeiten eine solche Herausforderung anzunehmen, zeigt, ob man von der Sache wirklich überzeugt ist" rief Bahr den knapp 400 Delegierten unter Beifall zu - und er wolle die FDP wieder zu alter Stärke führen.
"Traumhaft schöne Aufgabe"
Kein einfaches Vorhaben, denn die Liberalen sind nach der Landtagswahl im Mai nach nur einer Legislatur wieder in der Opposition gelandet. Und Umfragen sehen sie derzeit bei nur noch drei Prozent Zustimmung. Sein Vorgänger Andreas Pinkwart legte dann auch für seinen Nachfolger die Latte hoch: "Deutschland braucht keine FDP, die unter zehn Prozent liegt". Pinkwart verabschiedete sich am Samstag aus der "hauptamtlichen Politik", um als Rektor an die Handelshochschule Leipzig zu wechseln.
Er blickte am Samstag auf seine achtjährige Amtszeit als Parteichef zurück, einer "traumhaft schönen Aufgabe", wie er betonte. Er erinnerte aber auch an die Zeit seines Amtsantritts 2002, als die Partei nach der Krise um den ehemaligen Vorsitzende Möllemann zerstritten am Boden lag, und an die Verdienste in der schwarz-gelben Landesregierung.
Bündnisse nicht ausschließen
Er nutzte die Rede aber auch für Selbstkritik: Es sei ein Fehler gewesen, vor der Landtagswahl im Mai sich nur für eine Wunschkoalition mit der CDU ausgesprochen zu haben, alle anderen Konstellationen aber abgelehnt zu haben: "Das sollten wir nie wieder tun." Seine Parteifreunde waren voll des Lobes für den früheren Innovationsminister: Pinkwart sei "ein feiner Kerl", sagte der Bundesvorsitzender Guido Westerwelle, mit dem dieser in den letzten Monaten nicht immer ganz einer Meinung war und sich einige Rüffel holte. Fraktionschef Gerhard Papke betonte Pinkwarts "persönliche historische Leistung", denn er habe die Landes-Partei wieder zusammengeführt. Auch zwischen Papke und Pinkwart hatte es mehrmals geknirscht, insbesondere in der Frage, ob sich die FDP zur SPD und Grünen öffnen solle.
Liberale nicht "ordnungspolitisches Zubehör" der CDU
Deshalb riefen Pinkwart wie Bahr die Liberalen zur Geschlossenheit auf. Dabei setzt der neue Landeschef auf die Eigenständigkeit seiner Partei, "die Zeit der hängenden Köpfe ist vorbei", so Bahr. Die Liberalen seien nicht mehr "das ordnungspolitische Zubehör" der CDU, rief der neue FDP-Hoffnungsträger. Schließlich hätten die Christdemokraten in der Schulpolitik enttäuscht - die FDP sei dafür "in Mithaftung genommen" worden. Und in Richtung Rot-Grün machte er klar: "Frau Kraft, zeigen Sie endlich, dass es nicht die Grünen sind, die die Richtlinien der Politik bestimmt."
Laufschuhe und Boxerhandschuhe
Als der neue Landeschef vorne am Rednerpult seine Wahl annahm, betonte er nochmals die "Teamlösung", für die er stehe und kündigte an: "Ich fordere die Unterstützung von Ihnen ein." Seine Wunschkandidaten wurden dann auch mit guten Ergebnissen in den Vorstand gewählt: Generalsekretär bleibt Joachim Stamp (85,2 Prozent der Stimmen), neuer Schatzmeister ist Alexander Graf Lambsdorff (86 Prozent).
Sie sollen ihn bei der "Offensive 2011" unterstützen. Die richtige Ausstattung dafür hat Bahr schon: Von Pinkwart bekam der Marathon-Läufer gelb-blaue Turnschuhe und die Worte: "Laufen Sie stark und schnell für die NRW-FDP" mit auf den Weg. Und von Papke erhielt er ein Paar blau-gelbe Boxerhandschuhe, damit er "in jeder nötigen Situation die nötige Durchschlagskraft" habe.