Während viele Menschen um ihn herum Papiere suchen, noch einmal die Abläufe des Tages abstimmen und zügig alle Aufgaben erledigen wollen, die in den letzten Stunden noch so anfallen, nimmt sich Ulrich Dargel eine kleine Auszeit. Es ist Mittagszeit und der Technische Leiter der Schalker Arena ist bereits ein paar Stunden in dem riesigen Stadion unterwegs. Dargel ist zuständig für die technischen Abläufe in der Arena um die Sicherheit für die Menschen an diesem besonderen Tag zu gewährleisten. Immerhin sollen in den kommenden Stunden mehr als 100.000 Menschen der Eröffnung der Eishockey-Weltmeisterschaft 2010 einen noch nie da gewesenen Rahmen verleihen.
"Das ist schon ein tolles Erlebnis, dabei sein zu können", sagt Dargel und lehnt sich zufrieden zurück. "Wir können schon stolz auf das sein, was unser gesamtes Team hier auf die Beine gestellt hat." Lange kann er nicht verweilen, das Handy klingelt. "Entschuldigung, ich muss noch schnell was erledigen", sagt er und ist schon wieder aus der Tür. Tag und Nacht haben er und seine Mitarbeiter in den letzten Tagen daran gearbeitet, aus dem Fußballstadion eine Eishockeyarena zu machen. In kurzer Zeit kommen die Bemühungen auf den Prüfstand.
Fans aus ganz Europa
Bis die Stadiontore geöffnet werden, ist noch gut zwei Stunden Zeit, aber tausende Fans sind bereits in Gelsenkirchen angekommen. Sie sind aus der ganzen Bundesrepublik angereist, aus Österreich, Tschechien, aus vielen Ländern Europas und wollen eine große Party feiern. 77.803 Zuschauer werden einen Besucherweltrekord bei einem Eishockeyspiel aufstellen. Und eine Atmosphäre herstellen, die selbst bei Fußball-Länderspielen nur in Ausnahmefällen erreicht wird. Doch bis dahin dauert es noch ein wenig.
Erst einmal entschließen sich die Organisatoren dazu, das Fanfest vor der Arena bereits eine Stunde früher zu eröffnen. So viele Menschen stehen bereits vor den Bierständen und Bratwurstbuden und wollen verköstigt werden. Am Ende des Tages werden um die 70.000 Liter Bier, 16.000 Bratwürstchen und ähnlich viele Schnitzel und Buletten vertilgt sein. Die Menschen sind ausgelassen und in großer Vorfreude auf dieses Spiel. "Das ist ein völlig anderes Publikum als das, was wir hier beim Fußball haben. Aggressivität gibt es hier überhaupt nicht", sagt Dargel, der sich selbst einen Überblick mitten unter den Fans verschafft hat.
Ein Schub für das Eishockey?
Die Freunde Josef Ebehard und Martin Lodner sind ebenfalls bereits im Ruhrgebiet angekommen. Sie waren früh morgens mit einem Bus aus Augsburg in das Ruhrgebiet gereist. Sechs Stunden waren sie unterwegs, um "ein bisschen was zu erleben", wie Ebehard es nennt. Seit 30 Jahren besucht der Rollstuhlfahrer Eishockeyspiele, war bei etlichen Weltmeisterschaften dabei. "Aber so etwas wie hier habe ich noch nicht erlebt", sagt er. Er hält es für ganz wichtig, bei diesem Ereignis dabei zu sein, denn er glaubt, dass es ähnliche Eishockeyevents so schnell nicht mehr geben wird. "Ich bezweifele, dass das deutsche Eishockey dadurch einen Schub bekommt", sagt er. "Leider wird der Sport recht schnell wieder zu einer Randerscheinung werden. Aber dieses Spiel hier wird fantastisch."
Tatsächlich wussten rund zwei Wochen vor dem Turnier nach einer vom Sport-Informationsdienst in Auftrag gegebenen Umfrage nur 13,9 Prozent der Befragten, dass eine Weltmeisterschaft im eigenen Land stattfindet.
Ohrenbetäubende Anfeuerung
Als sich die Menschenmassen am späteren Nachmittag dann mühsam durch die Eingangstore geschoben haben, füllt sich das Stadion in Windeseile. Nach einem amüsanten Spiel von Eishockeylegenden, einem zähen Vorprogramm und der offiziellen Turniereröffnung durch Bundespräsident Horst Köhler gehört die Halle endlich den Fans. An diesem Moment liegt Euphorie und Spannung in der Luft und die Hoffnung darauf, dass die Mannschaft von Bundestrainer Uwe Krupp gegen die eigentlichen übermächtigen Spieler der USA mithalten können. Die Anhänger feuern ihr Team ohrenbetäubend an, erheben sich ein ums andere Mal von ihren Sitzen. Als Michael Wolf im zweiten Drittel auch noch die Führung für die deutsche Mannschaft erzielt, ist der Schrei der Begeisterung wohl auch noch über die Stadtgrenzen hinaus hörbar. Nicht geringer ist natürlich die Begeisterung nach dem zweiten deutschen Treffer durch Felix Schütz.
Ein aufwühlender Tag
Weit nach Mitternacht, als auch der letzte Zuschauer den 2:1-Sieg der deutschen Mannschaft nach Verlängerung ausreichend genossen hat, sagt Ulrich Dargel sichtlich erschöpft, aber zufrieden: "Es hat alles gut geklappt, keine besonderen Vorkommnisse". Gemeinsam mit Franz Reindl will er jetzt noch ein Getränk zu sich nehmen. So einen aufwühlenden Tag muss auch er erst einmal verdauen.