Jazzgröße Peter Herbolzheimer gestorben
Jazz-Rock-Legende gestorben
Stand: 29.03.2010, 14:50 Uhr
Er lieferte die Sounds für olympische Feiern, Fernsehshows und Filme, arbeitete mit Jazzern wie Stan Getz oder Rockern wie Udo Lindenberg: Peter Herbolzheimer machte Jazz-Rock populär. Am Samstag (27.03.2010) starb er in Köln.
Geboren 1935 in Bukarest, kam Peter Herbolzheimer 1951 nach Deutschland, nur um zwei Jahre später in die USA zu ziehen. Dort arbeitete er als technischer Zeichner bei General Motors und als Gitarrenlehrer. 1957 kehrte er zurück nach Deutschland und studierte in Nürnberg Musik. Herbolzheimer machte sich als Posaunist in Jazzkreisen schnell einen Namen und gründete in den 1960ern seine ersten Bands. In den 1970er Jahren war er auf dem Höhepunkt seiner Popularität: Er schrieb die Musik für die Olympischen Spiele in München 1972, komponierte und produzierte Musik für Filme und Fernsehserien und war lange Jahre der musikalische Begleiter in Alfred Bioleks Talkshow "Bios Bahnhof". 1987 gründete er das renommierte Bundesjazzorchester, das er bis 2006 leitete. Herbolzheimer starb am Samstag (27.03.2010) in Köln. Bernd Hoffmann, Leiter der Jazzredaktion des WDR, hat Herbolzheimers Werk und Leben seit Jahrzehnten verfolgt.
WDR.de: Peter Herbolzheimer gilt als einer der wichtigsten deutschen Jazzer. Warum?
Bernd Hoffmann
Bernd Hoffmann: Herbolzheimer begründete 1969 eine neue Ära im deutschen Jazz, als er die Big Band Rhythm Combination & Brass ins Leben rief. Er benutzte als einer der ersten Rock als rhythmische Grundlage des Sounds, auf der die Bläsersektion aufbaute. Das war neu, bis dato waren es meist schlichte Swing-Muster, die die Rhythmus-Basis vorgaben. Doch Herbolzheimer hatte in den 1960er Jahren die Zeichen der Zeit erkannt: Die Beatles wurden Stars, Rock'n'Roll war in aller Munde. Ähnlich wie bei Miles Davis rückten auch bei Herbolzheimer Rock-Elemente in den Vordergrund. So legte er das Fundament für den Jazzrock, der in den Siebzigern sehr populär wurde.
WDR.de: War er ein Revolutionär?
Hoffmann: Nein, das nicht. Herbolzheimer war total instinktsicher, er spürte genau, woher der musikalische Wind wehte. So hat er in den 1980ern seine Jazzrock-Phase ganz fein ausschleifen lassen und sich zurück zur traditionelleren Big-Band-Farbe hinentwickelt. Er war ein typischer Allrounder, der es als einer der wenigen geschafft hat, sämtliche Repertoires von den 1930ern bis heute aufzugreifen und der Jugend zu vermitteln.
WDR.de: Aber er hatte viel Humor, oder? Eine seiner letzten Bands nannte er Grey Hair Convention...
Hoffmann: Ja, davon kann man ausgehen. Eine seiner Platten hieß "Fat Man Boogie", was man unschwer als ironische Anspielung auf seine Körperfülle lesen kann.
WDR.de: Zu Herbolzheimers Hochzeit in den Siebzigern war Jazzrock sehr populär. Heute führt der Stil eher ein Nischendasein. Warum?
Hoffmann: Musikalische Strukturen und Eindrücke ändern sich eben über die Jahrzehnte. In den 1930ern gab es Benny Goodman, in den 1950ern Stan Kenton und in den 1970ern Peter Herbolzheimer. Nach zehn, fünfzehn Jahren ließ die Popularität von Rhythm Combination & Brass eben nach. Das ist normal, das findet man bei vielen Gruppen.
WDR.de: Viele Jazzer bleiben eher unter sich. Herbolzheimer hatte weniger Berührungsängste mit Rock- und Popmusikern, er spielte mit Udo Lindenberg und Konstantin Wecker.
Hoffmann: Er hat immer wieder Projekte gesucht, die nicht nur streng jazz-affin waren, von Weltmusik bis zu Lindenbergs Orchester. Das war für ihn ganz normal, ihm war immer wichtig, sich nicht einzugraben als Jazzer. Er suchte stets die Auseinandersetzung mit dem musikalischen Drumherum.
WDR.de: 1987 gründete Herbolzheimer das Bundesjazzorchester, das er fast 20 Jahre leitete. Was bedeutete ihm die Arbeit mit dem Nachwuchs?
Hoffmann: Das war für ihn eine pädagogische Aufgabe. Für ihn gehörte es zu seinem Dasein als professioneller Jazzer, ein international konkurrenzfähiges Orchester auf die Beine zu stellen. Auch hier war es ihm wichtig, seine offene musikalische Haltung zu vermitteln: Dass es für Jazzer nicht nur vor der eigenen Haustür etwas zu sehen beziehungsweise zu spielen gibt, sondern auch nebenan. Und in der Tat hat sich das Bundesjazzorchester schnell als Talentschmiede etabliert. Aus ihm gingen viele heute wichtige Jazzgrößen hervor: Till Brönner etwa, Hubert Nuss oder Paul Heller.
WDR.de: Zum Schluss bitte eine Empfehlung: Welche Herbolzheimer-Aufnahmen sollte man kennen?
Hoffmann: Da rate ich zu "Friends And Silhouettes", einer Platte aus den 1990er Jahren. Bei diesen Aufnahmen geht es querbeet zur Sache, mit Eigenkompositionen und Fremdmaterial. Hier findet man sehr viel von der Musik, für die der Name Herbolzheimer steht und die ihn auszeichnet.
Das Interview führte Ingo Neumayer.