Hilfsorganisationen reagieren auf Katastrophe in Haiti
Hilfe aus NRW für Erdbebenopfer
Stand: 14.01.2010, 18:23 Uhr
Der Winter lässt nicht locker. Auch in den nächsten Tagen kommen die Temperaturen nicht aus dem Minusbereich heraus. Und am Wochenende könnte sich sogar richtig viel Schnee dazugesellen.
Rund 30 Helfer der Duisburger Hilfsorganisation "International Search and Rescue - I.S.A.R Germany" starten am Freitag (15.01.10) ins Erdbebengebiet nach Haiti. Dort wollen sie sich vor allem um die medizinische Versorgung der Opfer kümmern, wie ein Sprecher am Donnerstag (14.01.10) mitteilte. Zur Mannschaft gehören neben drei Notärzten auch Rettungssanitäter und Logistiker.
Auch die Hilfsorganisation Humedica hat bereits Helfer ins Katastropengebiet entsandt. Die Organisation hatte direkt nach dem Beben ihren ehrenamtlichen Mitarbeitern eine Rundmail geschickt. Die Frage: Wer kann bereits am Donnerstagmorgen nach Port-au-Prince fliegen, um vor Ort den Erdbebenopfern Erste Hilfe zu leisten? Markus Hohlweck, Internist aus Bonn, sagte spontan zu. Haiti kennt Hohlweck, der bereits sechsmal für Humedica in unterschiedlichen Krisengebieten tätig war, von einem seiner Hilfseinsätze: "Vor zwei Jahren habe ich dort erlebt, dass der infrastrukturelle Normalzustand schon sehr schlecht ist. Wenn da nur ein kleines Rädchen nicht funktioniert, bricht alles zusammen. Insofern kann man sich vorstellen, wie verheerend die Lage nun nach dem Beben sein muss."
Er ist Teil eines Teams, bestehend aus drei Ärzten, zwei Koordinatoren sowie zwei Krankenschwestern. Vor Ort werden sie sich wohl in zwei Gruppen aufteilen: "Es geht in erster Linie darum, eine medizinische Grundversorgung zu bieten, Schürfwunden, unkomplizierte Brüche oder Infektionen zu versorgen. Damit entlastet man die Kliniken, die sich jetzt um die Schwerverletzten kümmern müssen." Laut einer Schätzung des Genfer Erdbebenforschers Max Wyss, dessen Berechnungsmethode Humedica regelmäßig zu Rate zieht, muss beim Erdbeben auf Haiti mit 4.000 Toten und bis zu 60.000 Betroffenen gerechnet werden. Ungefähr drei Wochen wird das Team vor Ort sein. Mit dabei: Eine Palette an Medikamenten und Ausrüstung.
Acht Versorgungs-Kits à 900 Kilo aus Tönisvorst
Ganze acht solcher Paletten werden momentan in Tönisvorst bei Krefeld geschnürt. Die seit 1964 bestehende Hilfsorganisation Action Medeor hat noch am Mittwoch (13.01.10) die ersten Versorgungs-Kits losgeschickt. Fast eine Tonne, verteilt auf zwei Paletten, wiegt jedes "Emergency Health Kit". Enthalten sind pro Kit jeweils 28 Kartons mit Verbandsmaterialien, Schmerzmittel und Antibiotika. "Eines dieser Kits steht immer einsatzbereit auf Lager, die weiteren können innerhalb von dreieinhalb Stunden zusammengestellt werden", sagt Susanne Haacker, Sprecherin der Organisation. 30.000 Menschen können mit einem dieser Kits einen Monat lang versorgt werden. Action Medeor engagiert sich mit unterschiedlichen Hilfsmaßnahmen in vielen Entwicklungsländern, auch bei der Versorgung von Gesundheitsstationen mit Basismedikamenten. Weltweit sind es laut Haacker 10.000 Stationen, die beliefert werden.
Wie bei Humedica und Action Medeor überlegen momentan viele Hilfsorganisationen, wie sie die Menschen in Haiti unterstützen können. Vor allem die Vereine und Initiativen, die sich gezielt um Aufbauarbeit und Gesundheitsversorgung in dem Karibikstaat kümmern, haben bereits erste Maßnahmen ergriffen. "Wir ermöglichen zunächst 20.000 Euro Ersthilfe", sagt Michael Huhn von Adveniat, dem bischöflichen Lateinamerika-Hilfswerk der Katholischen Kirche. "Damit sollen grundlegende Schäden wie defekte Wasserleitungen behoben werden." Die Haupthilfe wird in den kommenden Wochen entschieden. 900 Kapellschulen, Einrichtungen, die unter der Woche als Schule und am Wochenende als Kirche dienen, werden von Adveniat in Haiti unterstützt: "Ich frage mich momentan, wie viele davon überhaupt noch stehen", bangt Huhn um Schützlinge des Hilfswerks vor Ort.
"Gesamte Infrastruktur müsste zusammengebrochen sein"
Auch Robert Heinze aus Marl engagiert sich für den Staat, der als Armenhaus der westlichen Hemisphäre gilt. In Kontakt kam er mit dem Land über seinen Adoptivsohn, der gebürtig aus Haiti stammt. Unter dem Dach der Haiti Kinder Hilfe gründete er 1998 den Freundeskreis Marl, der zwei Projekte unterstützt: eine Schule für 400 Schüler sowie eine Krankenstation, beides gelegen in Marouge, einem Ort in den Bergen, circa 50 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Port-au-Prince. Die Lage vor Ort kennt Heinze aus eigener Erfahrung: "Die Katastrophe muss gigantische Ausmaße haben", schließt er aus den Medienberichten. "Wenn man hört, dass robuste Gebäude wie der Präsidentenpalast und das Polizeipräsidium eingestürzt sind, will ich mir gar nicht vorstellen, wie der Rest von Port-au-Prince aussieht."
Heinze ist überzeugt, dass sich das Hauptkatastrophengebiet in und um die Hauptstadt befindet, genauso wie Yves Polynice, gebürtiger Haitianer, der in Mettmann lebt und vor 25 Jahren den Verein Haiti-Med mit aus der Taufe hob: "Die gesamte Infrastruktur in Port-au-Prince müsste zusammengebrochen sein, weil es eine Großstadt ist, die in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen ist und die Häuser zumeist an den umliegenden Berghängen gebaut wurden. Da dürfte nicht mehr viel stehen." Schade finden sowohl Polynice als auch Heinze, dass immer erst eine Katastrophe passieren muss, um das Augenmerk auf das Leid der Haitianer zu richten.
Deswegen versuchen nun alle diese Hilfsorganisationen erst recht, zusätzliches Geld zu sammeln, um Medikamentenlieferungen zu ermöglichen, Schul- und Krankenpersonal zu finanzieren sowie die Verwaltung am Leben zu halten. Am wichtigsten allerdings ist etwas, das mit Geld nichts zu tun hat: "Momentan möchte man zuerst die Nachricht haben, dass es allen, die man kennt, noch gut geht", sagt Robert Heinze.