Karl Albrecht wird 90
90, reich und unauffindbar
Stand: 20.02.2010, 06:17 Uhr
Karl Albrecht feiert in diesen Tagen seinen 90. Geburtstag. Vermutlich jedenfalls, denn der reichste Mann Deutschlands ist auch einer der Verschwiegensten. Über ihn und seinen Bruder Theo, die Aldi-Gründer, ist kaum etwas bekannt, sogar sein Geburtsdatum ist nicht offiziell bestätigt.
Von Petra Blum
Fest steht: Die beiden sind mit ihren geschätzten gut 30 Milliarden Euro Vermögen die zwei reichsten Deutschen. Am 6. Oktober 2009 veröffentlichte das "manager magazin" seine jährliche Liste der 300 wohlhabendsten Bundesbürger. Wie in den Vorjahren führten die Discount-Gründer das Ranking an: Karls Vermögen wird auf 17,35 Mrd. Euro geschätzt, das seines Bruders Theo Albrecht auf 16,75 Mrd. Euro.
Karl und Theo sind nicht nur die reichsten, sie sind auch die unsichtbarsten Milliardäre Deutschlands. "Karl Albrecht, kath., wurde am 20. Febr. 1920 (der Geburtsort ist, wie viele andere Details aus A.'s Leben, nicht bekannt) geboren" - so steht es in den Archiven. Über den Wohnort wird viel spekuliert - lebt Karl Albrecht mit seiner Familie in der Nähe von Essen oder bei seinem eigenen Fünfsterne-Hotel in Donaueschingen in Baden-Württemberg? Zahllose Versuche, den genauen Wohnort herauszufinden, scheiterten bereits. Das amerikanische Magazin Forbes klagte einmal: "Die Albrechts leben zurückgezogener als der Yeti". Selbst die Frage, ob der mittlerweile hochbetagte Gründervater von Aldi überhaupt noch lebt, kann nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden. Aktuelle Fotos von ihm oder Auskünfte des Unternehmens oder der Familie dazu gibt es jedenfalls nicht.
Die billige Revolution
Sicher ist allerdings: Karl hat zusammen mit seinem Bruder Theo den deutschen Einzelhandel revolutioniert wie niemand anderes. Alles begann 1946 mit einem kleinen Krämerladen in Essen-Schonnebeck, den die Albrechts von ihrer Mutter übernahmen. Was darauf folgte, ist die offenbar unendliche Geschichte des Wunderkindes des deutschen Wirtschaftswunders.
Karl und Theo bauten schon bald eine kleine Ladenkette alten Stils auf, die bereits 1950 13 Lebensmittelgeschäfte umfasste und deren Filialen sich bis 1955 schon auf das ganze Ruhrgebiet ausdehnten. Das Geschäftsprinzip der Albrechts war ähnlich wie beim Schuhmacher Deichmann von der Bergarbeiter-Kundschaft geprägt: solide Qualität zu günstigen Preisen, ohne viel Schnickschnack. Das konsequente Weglassen von überflüssiger Dekoration und Werbeplakaten und möglichst wenig Verkaufspersonal wurden zum Erfolgsrezept - ebenso wie die nur aufs Nötigste beschränkte Anzahl der Produkte.
"Unsere ganze Werbung liegt im billigen Preis"
In der Öffentlichkeit ließen sich die beiden schon damals wenig blicken. Die einzige überlieferte geschäftliche Äußerung der beiden stammt von 1953, als Karl auf einem Treffen des Lebensmittelverbandes einen Fachvortrag hielt. Damals fiel der legendäre Satz, der das spätere Erfolgsgeheimnis auf den Punkt brachte: "Unsere ganze Werbung liegt im billigen Preis." Und billig waren die Albrechts: Anfangs verkauften sie Butter sogar unter Selbstkostenpreis und sparten das Geld woanders ein, so verzichteten sie beispielsweise auf Kühlregale. Man erzählt sich, die Angestellten hätten die Butter nach Feierabend in den Keller schleppen und morgens wieder raufholen müssen.
Der Aldi-Äquator
Die Gewinne waren trotz der niedrigen Preise - die sich schnell herumsprachen und in der Tat zur besten Werbung für das Unternehmen wurden - so gut, dass die Ladenkette zügig erweitert werden konnte. 1961 wurde der erste "Aldi"-Markt (von Albrecht-Discount) in Dortmund eröffnet. Im selben Jahr wurde Deutschland nicht nur in Ost und West, sondern auch in Nord und Süd geteilt, nämlich in ein Discount-Imperium nördlich der Ruhr und eines südlich davon. Dem Hörensagen nach hatten sich die Brüder zerstritten - es ging um die Frage, ob man Zigaretten ins Verkaufsprogramm nehmen solle oder nicht. Karl war dem Vernehmen nach dagegen und wurde Herrscher über das Süd-Reich, Theo übernahm den Norden. Bis heute zieht sich der so genannte Aldi-Äquator, der vom Niederrhein bis nördlich von Fulda verläuft, durch Deutschland.
Bei größeren strategischen Entscheidungen, wie Preissenkungsmaßnahmen, arbeiteten Karl und Theo allerdings weiterhin zusammen. Knapp zehn Jahre später wurden bereits über 600 Filialen in mehr als 300 Städten der Bundesrepublik gezählt. Wegen der Massenbestellungen an Waren konnten die Brüder die Einkaufspreise drücken und begannen sogar damit, eigene Marken produzieren zu lassen.
90 Jahre Verschwiegenheit
Nach und nach expandierte Aldi rund um den Globus, eröffnete Filialen von den USA bis nach Australien. Auch in der Wirtschaftskrise hält das Erfolgsrezept: Nach Einschätzung des Handelsinformationsdienstes Planet Retail erzielten Aldi Nord und Aldi Süd 2009 einen Bruttoumsatz von insgesamt 50,6 Milliarden Euro. Das Discount-Imperium der beiden verschwiegenen Milliardäre erstreckt sich mittlerweile mit 9.143 Filialen über 18 Länder.
Karl Albrecht zog sich schon in den 90er Jahren ganz aus dem operativen Geschäft zurück. Auch sein Sohn Karl jr. und seine Tochter Beate sind nicht in die Fußstapfen des Vaters getreten, das Firmenimperium wird inzwischen ausschließlich von familienfremden Managern geführt. In seiner Freizeit, so wird überliefert, beschäftigt sich der betagte Discount-Patriarch mit der Zucht von Orchideen, auch Golf soll zu seinen Hobbies gehören. Am Rand von Donaueschingen hatte Karl 1978 das Fünfsternehotel Öschberghof gebaut, in Sichtweite eines Aldi-Zentrallagers. Mit 27 Löchern hatte das Hotel damals den größten Golfplatz Deutschlands. Doch wer hier nach Spuren des Milliardärs sucht, wird ebenfalls enttäuscht: "Er hat 90 Jahre durchgehalten, nichts zu sagen und wird es auch jetzt nicht tun", heißt es dort nur.