Vor der Pressekonferenz in Dortmund waren 23 der untersuchten 30 Mitarbeiter der Entsorgungsfirma Envio bereits bei einer Betriebsversammlung über ihre Blutwerte informiert worden. Ein früherer Leiharbeiter sagte, es sei eine Schweinerei, was da passiert sei, er mache sich Sorgen um die Kollegen mit stark überhöhten Werten im Blut.
PCB gilt unter anderem als krebsfördernd, kann aber auch Hautkrankheiten wie Chlorakne hervorrufen. Anders als bei anderen Giftstoffen gibt es aber keine medizinischen Grenzwerte. Auch für extrem erhöhte PCB-Werte sind Krankheiten als zwangsläufige Folge nicht bewiesen. Das Krankheitsrisiko erhöht sich aber, zumal PCB sich im Fettgewebe ansammelt. Eine medizinische Behandlung dafür gibt es nicht. Die Gesundheitsbehörden empfehlen den Betroffenen aber regelmäßige Nachuntersuchungen, zur Früherkennung möglicher Erkrankungen. Das soll über Jahre hinweg geschehen. Zudem sollen die Envio-Mitarbeiter nun auch noch auf Dioxine und Furane getestet werden - giftige Substanzen, die in Spuren auch im Kehrstaub auf dem Gelände der Entsorgungsfirma gefunden wurden.
Ermittlungen wegen Körperverletzung
Dr. Michael Hagmann, der als Gewerbearzt für das Land an den Untersuchungen beteiligt war, sagte, PCB-Werte wie bei Envio in Dortmund seien ihm in zwanzig Berufsjahren nicht untergekommen. Die Bezirksregierung Arnsberg will am Montag Strafanzeige erstatten, wegen fahrlässiger, womöglich sogar wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Die gemessenen PCB-Blutwerte seien nur durch die Arbeit im Entsorgungsbetrieb erklärbar, eine Aufnahme über belastete Nahrungsmittel könne nicht zu derartigen Konzentrationen führen, so Mediziner Hagmann. Laut Bezirksregierung Arnsberg könne aber bei ordnungsgemäßem Betrieb entsprechend der Betriebsgenehmigung auch nicht eine so hohe Belastungen entstanden sein. Hier sei offensichtlich mit "krimineller Energie" gearbeitet worden.
Das Unternehmen selbst will von nichts gewusst haben: "Das Ergebnis der amtlichen Blutuntersuchung bei 30 Mitarbeitern hat uns tief erschüttert und ebenso überrascht. Alle bisherigen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, die wir regelmäßig extern vornehmen lassen, haben nie Hinweise auf irgendwelche erhöhten PCB-Konzentrationen im Blut unserer Beschäftigten ergeben", hieß es in einer Stellungnahme. Man wolle "den Sachverhalt gemeinsam mit den Arbeitsmedizinern umfassend aufklären".
Belastetes Material an Kunden ausgeliefert?
Die Staatsanwaltschaft Dortmund ermittelt ohnehin schon: Nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung, sondern auch wegen möglicher Umweltschutzdelikte und möglichen Betruges. Der läge vor, wenn Envio angeblich gereinigtes, aber in Wirklichkeit immer noch PCB-belastetes Material an Abnehmer weiterverkauft hätte. Dafür gibt es derzeit aber laut Staatsanwaltschaft keinen Beleg. Die Stadt Dortmund geht unterdessen gewerberechtlich gegen Envio vor: Umweltdezernent Wilhelm Steitz sagte, die "persönliche Zuverlässigkeit" der Envio-Geschäftsführung werde überprüft. Diese lasse nämlich bisher keinerlei Bemühen erkennen, zur Aufklärung des Umwelt-Skandals beizutragen. Das spreche für "Unzuverlässigkeit" im gewerberechtlichen Sinne, und wer das sei, dürfe "nicht mal eine Pommesbude aufmachen", geschweige denn ein Entsorgungsunternehmen. Bislang ist der Betrieb nur vorübergehend, nicht endgültig stillgelegt worden.
Envio galt als Vorzeigeunternehmen
Angefangen hatte alles vor zwei Jahren, als PCB im Grünkohl und in anderem Blattgemüse, in Kleingärten am Dortmunder Hafen gefunden wurde. Damals begann die langwierige Suche nach einem möglichen Verursacher. Envio war damals nur eines von vielen in Frage kommenden Unternehmen und galt zudem als Vorzeige-Firma in Sachen Umweltschutz. Schließlich wurden hier stark PCB-belastete Transformatoren in geschlossenen Räumen fachgerecht zerlegt und gesäubert - laut Betriebsgenehmigung jedenfalls. Auf den Recyclingbetrieb als Verursacher des PCBs im Grünkohl kamen die Behörden erst durch einen anonymen Hinweis. Envio wurde vor einem Monat stillgelegt, nachdem in Proben von Kehrstaub auf dem Gelände der Firma bis zu tausendfach erhöhte PCB-Konzentrationen gemessen worden waren.