Plenarsaal des Landtages NRW mit 500 Euroschein

Die wichtigsten Fragen zur Diätenerhöhung

Die Diäten, die Rente und die Abgeordneten

Stand: 07.12.2011, 16:20 Uhr

Die geplante Diätenerhöhung der Abgeordneten in NRW hat für Empörung gesorgt. 500 Euro wollen die Parlamentarier auf ihre Bezüge aufschlagen, um ihre spätere Rente aufzubessern. WDR.de beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem umstrittenen Projekt.

Von Rainer Kellers

Seit einigen Tagen berichten Medien in NRW beinahe täglich von der geplanten Diätenerhöhung. Der Bund der Steuerzahler hat eine Kampagne gegen die Erhöhung gestartet. Und im Landtag haben zwei Fraktionen Widerstand angekündigt. Angesichts des öffentlichen Drucks sahen sich am Mittwoch (07.12.2011) die Parlamentarischen Geschäftsführer von SPD, Grünen und CDU - Marc Herter, Sigrid Beer und Armin Laschet - sowie der Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg gezwungen, gemeinsam über die Diätenerhöhung zu informieren.

Was ist geplant?

Die Bezüge der 181 Abgeordneten im NRW-Landtag von derzeit 10.226 Euro sollen um 500 Euro steigen. Das Geld soll den Abgeordneten aber nicht zur Verfügung stehen, sondern direkt in das Versorgungswerk für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt werden. Bisher haben die NRW-Parlamentarier von ihren Diäten 1.614 Euro im Monat in das Versorgungswerk eingezahlt, jetzt sollen es 2.114 Euro werden. Die um 500 Euro erhöhten Diäten müssen versteuert werden. Dabei ergeben sich Steuern in Höhe von - je nach Familienstand - 80 bis 200 Euro. Der Etat des Landtags wird durch die Erhöhung pro Jahr um 1,1 Millionen Euro belastet.

Warum sollen die Bezüge steigen?

Im Frühjahr 2005 hat der Landtag in NRW eine grundlegende Reform des Abgeordnetengesetzes beschlossen. Die Überversorgung der Politiker, die nach relativ kurzer Zeit im Landtag hohe Rentenansprüche erwarben, sollte beendet werden. Damals wurden die Diäten zwar deutlich erhöht, aber die Abgeordneten müssen seither ihre Altersversorgung selbst über das Versorgungswerk bestreiten. Die Reform wurde von allen Seiten gelobt, auch vom Bund der Steuerzahler.

Mit der Reform beschlossen die Politiker aller damaligen Fraktionen, das Versorgungsniveau der Abgeordneten auf 60 Prozent des früheren Niveaus zu senken. Da die Rentenhöhe individuell ist, hat der Landtag zur Berechnung einen Musterabgeordneten herangezogen. Dieser durchschnittliche NRW-Abgeordnete ist mit 49 Jahren in den Landtag eingetreten und verbleibt dort zwei Legislaturperioden, also zehn Jahre. Nach altem Recht hätte er, wenn er mit 65 Jahren in den Ruhestand eintritt, Anspruch auf 2.588 Euro Rente. Nach der Reform sollte sein Anspruch auf 60 Prozent dieser Summe sinken, das wären 1.573 Euro. Tatsächlich ergibt sich aus den heutigen Beitragssätzen aber lediglich eine Rente von 1.251 Euro. Das wären rund 48 Prozent des damaligen Niveaus. Durch die Erhöhung der Bezüge um 500 Euro soll der Rentenanspruch auf die gewünschte Höhe von 60 Prozent steigen.

Weshalb ist die Rentenlücke entstanden?

Zu dieser Frage sind von den Parlamentariern keine konkreten Aussagen zu hören. Carina Gödecke (SPD), Vorstandsvorsitzende des Versorgungswerks, führt an, dass sich Voraussetzungen geändert hätten, zum Beispiel sei die durchschnittliche Lebenserwartung gestiegen. Der wahre Grund dürfte aber sein, dass bei der Reform 2005 die Diätenhöhe unter 10.000 Euro bleiben sollte. Die Altersbezüge waren deshalb zu knapp berechnet. Fakt ist, dass die Lücke schon seit Langem bekannt ist. Bislang erschien es den Politikern aber nicht opportun, die Bezüge anzupassen.

Welche Abgeordnete sind betroffen?

Alle Parlamentarier, die nach dem Jahr 2000 in den Landtag eingezogen sind, erhalten ihre Bezüge nach dem neuen Recht. Das ist die überwiegende Mehrheit der aktiven Parlamentarier. Abgeordnete, die länger dabei sind, werden bei den Rentenansprüchen weiter nach altem Recht behandelt. Sie erhalten nun zwar auch die 500 Euro zusätzlich. Davon haben sie aber nichts, weil das Geld ans Versorgungswerk abgeführt wird, das an sie aber nichts ausbezahlen wird. Allerdings müssen auch sie die 500 Euro versteuern. De facto haben die älteren Abgeordneten somit weniger netto übrig - was sie aber gut verkraften können, da ihre Rente, wie beschrieben, sehr viel höher ausfällt.

Ist die Erhöhung angemessen?

Das ist eine Glaubensfrage. Der Bund der Steuerzahler kritisiert, dass sich die Abgeordneten trotz der angespannten Haushaltslage mehr Geld genehmigten. Das passe nicht in die Zeit. Im Vergleich mit Freiberuflern seien die Rentenbeiträge unangemessen hoch. Die FDP, die sich gegen die Erhöhung ausspricht, meint, dass die Altersversorgung der Abgeordneten nach heutigem Stand "auskömmlich" sei und bei Diätenerhöhungen automatisch mit angehoben werde. Zuletzt war das im Juli 2011 der Fall. Der Düsseldorfer Hochschulprofessor Ulrich von Alemann sagt hingegen, es sei nicht unangemessen, die Diäten zu erhöhen. Der Beruf des Politikers sollte anständig bezahlt sein.

Aufschluss gibt auch der Vergleich mit kommunalen Wahlbeamten. So erhält zum Beispiel ein städtischer Beigeordneter einer Stadt mit 30.001 Einwohnern nach zehn Jahren Tätigkeit eine Rente von 2.274 Euro. Der Direktor eines Landschaftsverbandes kann sich über eine Rente von 3.109 Euro freuen. Und dem Oberbürgermeister der Millionenstadt Köln stehen nach zehn Jahren 4.033 Euro Rente zu. Mit 1.573 Euro kann der Landtagsabgeordnete da nicht mithalten. Allerdings bestehen bei den meisten Abgeordneten Rentenansprüche aus früheren Tätigkeiten.

Ist bei der Erhöhung der Bezüge gemauschelt worden?

Man kann den Fraktionen vorwerfen, die Erhöhung der Bezüge erst öffentlich thematisiert zu haben, als bereits in der Presse davon zu lesen war. Außerdem findet die erste Lesung über den Gesetzentwurf sehr spät am Donnerstagabend (08.12.2011) statt. Das lässt den Verdacht aufkommen, das Thema sollte möglichst geräuschlos über die Bühne gebracht werden. Der Landtagspräsident und die Parlamentarischen Geschäftsführer weisen die Vorwürfe aber zurück. Es sei geplant gewesen, den geänderten Gesetzentwurf öffentlich vorzustellen. Bevor es dazu kam, sei er aber den Medien "durchgestochen" worden. Die Platzierung auf der Tagesordnung ergebe sich von selbst, da viele andere Themen wichtiger seien.

FDP-Fraktionschef Gerhard Papke hatte kritisiert, die Diätenerhöhung solle als "vorweihnachtliches Kommandounternehmen" durch den Landtag getrieben werden. Die Partei selbst sei "zu keinem Zeitpunkt beteiligt" gewesen. Marc Herter (SPD) hält dem entgegen, dass in einer Sitzung der Parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen bereits am 20. September die Erhöhung der Bezüge um 500 Euro erstmals Thema gewesen sei. In der Sitzung vom 21. November hätten alle Geschäftsführer Zustimmung signalisiert. Erst als es um die konkrete Ausgestaltung des Gesetzentwurfs gegangen sei, seien FDP und Linke ausgeschert. "Die Aussage Papkes ist schlichtweg gelogen", behauptet der Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen.

Wie geht es weiter?

Am Donnerstag findet die ersten Lesung mit Aussprache im Landtag statt (WDR.de berichtet). Der Gesetzentwurf wird dann an den zuständigen Haupt- und Medienausschuss verwiesen. Nach der Beratung dort soll der Entwurf entweder noch im Dezember oder im neuen Jahr erneut in den Landtag kommen. Wenn keine dritte Lesung beantragt wird, wird es dann zur Abstimmung kommen. Die Mehrheit ist mit den Stimmen von Rot-Grün und CDU sicher.