Stichtag

8. Dezember 1854 - Unbefleckte Empfängnis Mariens wird Dogma

1506 erscheint dem Bruder Johannes bei den Dominikanern in Bern im Fiebertraum die Jungfrau Maria. Danach ist sie, nach seinen Angaben, immer wieder bei ihm zu Besuch - insgesamt rund 30 Mal. Einmal hat sie zwei Engel im Schlepptau und verwandelt vor den Augen des Bruders eine schneeweiße Hostie in blutiges Rot. Als die befleckte Reliquie durch die Gassen Berns getragen wird, entsteht eine Massenhysterie. 

In Bern fliegt der Schwindel auf: Seine Mitbrüder haben dem armen Bruder Johannes einen üblen Streich gespielt. Die Anstifter werden gefoltert und wegen Gotteslästerung vor den Stadttoren bei lebendigem Leibe verbrannt. Bruder Johannes muss, obwohl nur Opfer, in den Kerker.

Voller Gnade? 

Der Spuk mit der falschen Gottesmutter von Bern hat einen guten Grund. Denn er soll mit falschen Beweisen in einen theologischen Streit eingreifen, der die Katholiken schon seit langem spaltet. Es ist der Streit zwischen den Vertretern der Theorie, dass die Gottesmutter erst später durch Gott von der allen Menschen durch Adam und Eva auferlegten Erbsünde erlöst worden sei - und den so genannten Immaculatisten: Verfechtern der "unbefleckten Empfängnis" Mariens, also der Idee, dass die Gottesmutter von Geburt an ohne Makel war. 

Das Thema beschäftigt die Theologen seit dem 5. Jahrhundert. Damals hält Kirchenvater Augustinus fest, dass Maria, bei der Geburt mit Erbsünde behaftet, später hiervon freigesprochen worden sei. Nur so ist sicher gestellt, dass sie einem natürlich sündenreinen Christuskind die Schau nicht stehlen kann. Aber auch die "Immaculatisten" verstummen nicht. Im 13. Jahrhundert kommt Duns Scotus der zündende Gedanke, die Unbeflecktheit Mariens als eine Art Vorab-Begnadigung durch Jesus Christus zu begreifen. Auf diese Art und Weise erstrahlt der göttliche Glanz des Christuskindes heller als der der Gottesmutter. 

Als Glaubensgrundsatz zementiert 

Trotzdem dauert es bis ins 19. Jahrhundert, bis ein Papst in der Frage ein Machtwort spricht. Es ist die Zeit der Industrialisierung, deren Rationalität auf religiöser Seite mit romantischer Verklärung einhergeht. Diese bricht sich Bahn in einem verstärkten Marienkult. Im Volksglauben ist die unbefleckte Empfängnis Mariens dort schon längst akzeptiert. 

Am 8. Dezember 1854 verliest Papst Pius IX. in einer feierlichen Zeremonie auf dem Petersplatz in Rom ein Dekret, das die Freiheit Mariens von der Erbsünde "von Geburt an" zum Dogma erklärt. Die Lehre von der "Immaculata Conceptio" ist seitdem fester Glaubenslehrsatz der katholischen Christen – auch wenn heute viele Menschen der irrigen Ansicht sind, dass die "unbefleckte Empfängnis" sich auf die Geburt Christi beziehe.

Dass Gottes Sohn von der Erbschuld aller Menschen nicht betroffen sei – darüber allerdings gab es in der Kirche von ihren Anfängen an nie einen Zweifel.

Stand: 08.12.2014

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