"Der Weltspartag kam in meiner Kindheit direkt nach Weihnachten und Ostern", erinnert sich der Kabarettist Wilfried Schmickler. Es ist der Tag, an dem Klein-Wilfried wie Millionen Altersgenossen sein Sparschwein schlachten durfte. Damals wie heute wurde der neue Reichtum dann stolz zur Sparkasse getragen und feierlich dem Sparbuch gutgeschrieben. "Und als Belohnung", schmunzelt Schmickler, "gab es ein Plastiklineal, ein Ratzefummel und eventuell sogar Buntstifte."
Die Sparbüchse hat immer noch Hochkonjunktur. Aktuell horten allein die Jungsparer einen Gesamtbetrag in Milliarden-Höhe. Doch angesichts von Niedrigzinsen im Rekordtief fragen sich kleine und große Eurosammler inzwischen, ob Sparen noch sinnvoll ist. Soll man das Geld nicht lieber investieren, bevor die Inflation es auffrisst? Dieses Problem beunruhigte die Menschen schon vor 90 Jahren und führt zur Ausrufung des Weltspartags.
Erster Sparkassenkongress in Mailand
Zu Beginn der 1920er-Jahre schlittert Deutschland als Kriegsverlierer immer tiefer in eine wirtschaftliche Krise. Die Inflation galoppiert und ein Brot kostet plötzlich Millionen Reichsmark. Stiegen die Preise zunächst noch täglich, so verliert das Geld bald in jeder Stunde, ja sogar im Minutentakt an Wert. Auch die 1923 eingeführte Rentenmark kann den Vertrauensverlust der Deutschen in ihre Währung nicht stoppen, ans Sparen denkt niemand mehr. In Italien ist die Lage nicht viel besser. Die "Cassa di Risparmio delle Provincie Lombarde" lädt deshalb im Jahr 1924 Sparkassen-Vertreter aus ganz Europa zu einem internationalen Kongress nach Mailand ein.
Am Schlusstag des Kongresses, dem 31. Oktober 1924, gründen die Delegierten aus 29 Ländern das Internationale Institut des Sparwesens, das heutige Weltinstitut der Sparkassen. Und sie beschließen, dieses Datum "als Ausdruck der Bedeutung der Sparsamkeit überall zum Weltspartag zu erklären". An diesem Tag, so wünschen es sich die Sparkassen, "sollen die Handlungen aller vom Ideal der Sparsamkeit erfüllt sein, ein Tag, der der Verbreitung dieses Ideals durch Beispiele, Wort und Bild geweiht ist." Bei den krisengeschüttelten Deutschen allerdings stehen gerade andere Ideale höher im Kurs, der neue Weltspartag hat einen schweren Start.
Sparsam wie Frau Minister
Die Nationalsozialisten machen aus dem Welttag den Deutschen Spartag. "Eisern sparen" lautet nun die Parole - um überschüssige Kaufkraft zugunsten der Rüstung abgreifen zu können. Nach Kriegsende ist Sparen für die Meisten zwangsweise wieder ein Fremdwort. Wer Geld hat, dem empfehlen 1948 die Gegner der Währungsreform: "Iss und trink, solange es dir schmeckt, schon zweimal ist das Geld verreckt." Fritz Schäffer, der erste Bundesfinanzminister, appelliert dagegen mit ungewöhnlichen Argumenten ans Volk, um den Sparwillen zu stärken.
Seine Ehefrau vertraue auf die D-Mark und spare eifrig, so Schäffer 1951 im Bundestag. "Wenn also der deutsche Sparer schon dem Finanzminister nicht glauben sollte, dann doch wenigstens der Frau des Finanzministers und das Gleiche tun." Um die für Kreditwesen und Wirtschaftspolitik so wichtige Sparlust anzukurbeln, wird Mitte der 1950er-Jahre die Jugendsparwoche eingeführt. Damit beginnt die Karriere des Weltspartags, wie er noch heute veranstaltet wird. Die Deutschen wandelten sich seither zu wahren Spar-Weltmeistern, aber seit der Finanzkrise 2008 gehen die Einlagen kontinuierlich zurück.
Stand: 31.10.2014
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