Länderkarte: Türkei, Ägypten, Indonesien, Iran, Malaysia, Nigeria, Pakistan, Bangladesch

Stichtag

15. Juni 1997 - Islamische Staaten gründen die D8

Sie wollen sich sowohl mehr Gehör als auch bessere wirtschaftliche Chancen verschaffen - und zwar weltweit. Deshalb schließen sich acht islamische Staaten am 15. Juni 1997 zu den sogenannten D8 zusammen. Zu den "Developing 8", den acht Entwicklungsländern, gehören Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Malaysia, Nigeria, Pakistan und die Türkei.

Ideengeber und treibende Kraft der Allianz hinter dem vergleichsweise kleinen Zusammenschluss ist der 1996 gewählte türkische Ministerpräsident Necmettin Erbakan. "Das war ein Zeichen, das er setzen wollte", sagt Professor Udo Steinbach, ehemaliger Leiter des Orient-Instituts Hamburg. "Er war ja der erste islamistische Ministerpräsident." Die Gründung der D8 habe Erbakan als eine erste Geste für eine neue Außenpolitik verstanden: die D8 als Gegenstück zu den G7 - der Gruppe der sieben führenden Industrienationen, die sich 1998 zu den G8 erweitert. Im D8-Gründungsdokument, der sogenannten Istanbuler Erklärung, wird denn auch die Absicht der islamischen Länder betont, den Anteil "bei der Mitsprache auf internationaler Ebene" zu erhöhen und Partner "bei der Gestaltung der Weltwirtschaftsbeziehungen" werden zu wollen.

D8-Verwaltung residiert in Istanbul

In seiner Eröffnungsansprache erklärt Erbakan, das Bruttosozialprodukt der D8-Staaten betrage mit 600 Milliarden Dollar gerade mal 2,4 Prozent des weltweit erwirtschafteten Volumens: "Wir haben das Potenzial, diesen Anteil um das Zehnfache zu steigern." Erst wenn das gelänge, hätten die Gründungsstaaten in der Weltwirtschaft mehr zu sagen. Immerhin vertreten die D8 etwa ein Siebtel der Weltbevölkerung - darunter die drei größten muslimischen Staaten Indonesien, Bangladesch und Pakistan, die Regionalmacht Ägypten sowie das ölreiche, zumindest halb muslimische Nigeria.

Die D8-Verwaltung residiert bis heute in Istanbul - mit einem indonesischen Generalsekretär, einem iranischen Direktor und einem türkischen Chefökonom. Die Staatschefs treffen sich gelegentlich zu Gipfeln, die Außenminister zu Konferenzen und Kommissionen kümmern sich um Fachfragen. Inhaltlich geht es dabei um ein breites Spektrum von Handel, Industrie und Finanzen über Gesundheit, Energie und ziviler Luftfahrt bis hin zu Wissenschaft, Technik und Tourismus. Die geschlossenen Vereinbarungen bleiben allerdings bisher ohne messbaren Effekt. "Es hat sich gezeigt, dass das Label 'islamisch' noch lange keine solide Grundlage abgibt für eine Staatengemeinschaft, die politisch oder wirtschaftspolitisch Sinn gemacht hätte", sagt Steinbach.

"Sinnvoll für vertrauensbildende Maßnahmen"

Zu groß sind offenbar die Unterschiede und die jeweiligen Interessen der D8-Staaten. Denn in der Regel richtet sich ihre politische Aufmerksamkeit nicht primär auf das internationale Geschehen, sondern auf die regionalen Gegebenheiten. Nigeria ist zum Beispiel in etliche afrikanische Bündnisse eingewoben, Ägypten bewegt sich im arabischen Kontext. Auch in Asien existiert ein Netz regionaler Allianzen. Doch außer der ASEAN, der Organisation südostasiatischer Staaten, sei dort kein Bündnis erfolgreich, sagt Christian Wagner von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Weil natürlich die Handelsströme vor allem auf die Industrieländer oder auf die Schwellenländer ausgelegt sind, aber eben die Länder untereinander noch vergleichsweise wenig Möglichkeiten haben, ihren regionalen Handel dramatisch auszuweiten."

Auf politischer Ebene machten supra-nationale Bündnisse dennoch Sinn, so Wagner: "Man braucht sie sicherlich als Mittel, um vertrauensbildende Maßnahmen in Gang zu setzen." Möglicherweise erklärt das, weshalb auch die D8 immer noch existieren. Dass Erbakans Vision von einem starken Bündnis islamisch geprägter Staaten nicht Realität geworden ist, mag auch daran liegen, dass er selbst bereits zwei Wochen nach der Gründung der D8 zum Rücktritt gezwungen wurde - vom anti-islamistisch eingestellten türkischen Militär.

Stand: 15.06.2012

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