Sie verstehen sich als eine Art Weltregierung: die Staats- und Regierungschefs der acht führenden Industrienationen. Dazu gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, die USA, Kanada und Russland. An ihrem dreitägigen Gipfel in Heiligendamm, der am 6. Juni 2007 beginnt, wollen sie über die Armut in Afrika und den Klimawandel beraten. Viele Menschen meinen allerdings, dass die "Gruppe der Acht" (G8) solche Probleme wesentlich mitverursachen oder zumindest zu wenig zu einer Lösung beitragen. Ein breites internationales Bündnis hat deshalb zum Protest aufgerufen.
Der Staat reagiert im Vorfeld mit Razzien, bietet 16.000 Polizisten auf und zieht um den Tagungsort, das Grandhotel Kempinski am Ostseestrand, einen zwölf Kilometer langen Zaun. Im weiten Umkreis ist jeder Protest verboten. "Es ist erstaunlich", wundert sich der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), "dass ein im Grund ganz normaler Vorgang zu solchen hysterischen Gegenreaktionen führt."
Über 10.000 Demonstranten schlüpfen durch Polizeikette
Neben rund 80.000 friedlichen Demonstranten reisen auch 3.000 Autonome an. Diese liefern sich vier Tage vor dem Gipfel mit der Polizei in Rostock eine Straßenschlacht mit Verletzten auf beiden Seiten. Journalisten verbreiten ungeprüft Falschmeldungen, wonach Autonome ätzende Flüssigkeit in Richtung Polizei gespritzt haben sollen. Tatsächlich sind es Seifenblasen der sogenannten Rebel-Clowns, die auf kreative Protestformen setzen.
Vor Ort wird die Stimmung weiter angeheizt durch verfassungsrechtlich umstrittene Bundeswehr-Einsätze: Tornado-Aufklärungsflugzeuge überfliegen im Tiefflug Protest-Camps. Dennoch gelingt es den aufgebrachten Demonstranten, einen Konsens zu finden: Die eigentliche Gipfelblockade soll friedlich verlaufen. Dazu wenden sie die sogenannte Fünf-Finger-Strategie an: Statt über gut kontrollierbare Straßen und Wege wandern die Demonstranten in kleinen Gruppen durch Wald und Wiesen ihrem Ziel entgegen. Über 10.000 Menschen schlüpfen so friedlich durch die Polizeiketten und erreichend den Zaun - trotz des Verbotes. Schon am ersten Tag ist der Gipfel damit vom Land her blockiert. Journalisten und Personal können nur über Hubschrauber und Schiffe zu den Politikern am Tagungsort.
Verfehlte Ziele
Jenseits des Zauns wird derweil eine Erhöhung der Hilfsmittel für Afrika angekündigt. "Wir werden unsere Verpflichtung auch erfüllen", sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Rückblickend zeigt sich allerdings: Gerade Deutschland ist deutlich hinter der versprochenen Erhöhung der Entwicklungshilfe zurückgeblieben.
Zum Klimaschutz kündigt Merkel in Heiligendamm an, alle Gipfelteilnehmer würden ernsthaft erwägen, ihren CO2-Ausstoss bis 2050 zu halbieren. Werner Rätz von Attac kritisiert jedoch, das Ziel sei verfehlt worden: "Das internationale Klima-Management ist vollkommen aus dem Ruder gelaufen."
Stand: 06.06.2012
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