Im Jubiläumsjahr 1876 feiern die Vereinigten Staaten von Amerika ihr 100-jähriges Bestehen. Das Motto lautet: "ein Jahrhundert Fortschritt". Nichts scheint die aufstrebende Nation aufhalten zu können. Doch noch bevor die patriotischen Feierlichkeiten am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag, stattfinden, kommt es zu einem Massaker an Soldaten der US-Armee. Eine Übermacht von Sioux- und Cheyenne-Indianern vernichtet am 25. Juni 1876 am Little Bighorn River - im Südwesten des heutigen US-Bundesstaates Montana - das siebte Kavallerie-Regiment. Alle rund 225 Soldaten sterben, darunter auch ihr General George Armstrong Custer. Der deutschstämmige 36-Jährige ist ein hochdekorierter Bürgerkriegsheld. Custer hatte zuvor die Warnung seines Indianer-Scouts "Bloody Knife" ignoriert. Das bezahlt er mit seinem Leben: "Ein Schuss hatte ihn in die Seite getroffen", schildert später ein Arapaho-Krieger Custers letzte Augenblicke, der auf Händen und Knien verletzt auf dem Boden hockte. "Blut rann aus seinem Mund, und er schien die Indianer um sich herum zu beobachten." Dann hätten sie sich auf ihn gestürzt.
Offensive der US-Armee
Militärisch ist die verheerende Niederlage der amerikanischen Truppen ohne große Bedeutung. Trotzdem zählt die Schlacht zu den bekanntesten Auseinandersetzungen in der Geschichte des amerikanischen Westens: "Es ist das letzte Mal, dass die Indianer noch in der Lage sind, den Weißen etwas entgegenzusetzen", sagt Volker Depkat, Professor für Amerikanistik an der Universität Regensburg. Hintergrund der Schlacht ist eine Offensive der US-Armee gegen die Indianer im Sommer 1876. Ziel der Aktion ist es, auch die letzten sich noch frei bewegenden Indianer in ein Reservat zu zwingen. In der "Großen Sioux-Reservation", die 1868 durch den Vertrag von Fort Laramie geschaffen wurde, sollen sie sesshaft werden und Ackerbau erlernen. Doch das ist ein Bruch des Laramie-Vertrages. Denn darin wird den Indianern zugestanden, auch weiterhin außerhalb des Reservats Büffel jagen zu dürfen. Die etwa 3.000 Sioux und die rund 400 Cheyenne, die damals zu den noch "freien" Indianer zählen, wehren sich - angeführt werden sie von Tatanka Yotanka, den die Weißen "Sitting Bull" nennen.
Mythos für die Nachwelt
Die Bundesregierung in Washington reagiert - wie schon so oft - mit massiver militärischer Gewalt. Das habe letztlich zur Auslöschung der Indianer geführt, sagt Amerikanistik Depkat: "Damit war der Westen dann offen für die Besiedlung durch die Weißen." Dem gefallenen Custer wird zehn Jahre später am Ort der Schlacht ein Denkmal errichtet, das "Custer Battlefield Memorial". Seine Witwe und die Armee versuchen, das Bild des Verstorbenen in der Öffentlichkeit zu prägen. Schon die ersten Zeitungsberichte verklären Custer und sein Kavallerieregiment zum Mythos: "Wie eine starke Eiche, vom Blitzschlag getroffen, (...) so fiel Custer. Aber wie die sich windenden Zweige reckte er sich wieder und erledigte (...) drei weitere Indianer und zerbrach sein mächtiges Schwert auf der Muskete des vierten. Dann (...) fiel er zurück, das Opfer dutzender Wunden." Dass Custer gar kein Schwert gehabt hat und seine Leiche nicht mehr als zwei Wunden aufgewiesen hat, stört zunächst kaum jemanden. Dass kein weißer Augenzeuge überlebt, auch nicht.
Später werden Custer und die Schlacht am Little Bighorn River unterschiedlich dargestellt. Einige Filme rühmen Custer als Helden und zeigen ein feiges Indianer-Massaker, wie in "They died with their boots on" von 1941; andere erzählen von einem überheblichen Weißen und dem Überlebenskampf der Ureinwohner Amerikas, wie in "Little Big Man" von 1970.
Stand: 25.06.2011
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