Der österreichische Kaiser Joseph II. macht den Wienern 1766 ein Geschenk: Sie dürfen fortan sein Waldgebiet Prater zur Erholung nutzen. Das entsetzt die allerhöchsten Adelskreise - bislang war man hier bei der Jagd auf Hirsch, Fuchs, Wolf und Braunbär unter sich.
"Wenn ich nur mit meinesgleichen verkehren wollte, dürfte ich mich nur in der Kapuzinergruft aufhalten", soll der Reformkaiser den adeligen Unmut abgetan haben. Nunmehr für alle offen, entstehen im Auwald bald die ersten Buden mit Kaffeeausschank, Karussells und Puppentheater. Der Wald entwickelt sich zur Vergnügungsmeile der Stadt.
Riesenrad wird zum Wahrzeichen
Zum Wiener Wahrzeichen wird der Prater aber erst dank seines herausragenden Bauwerks: Zum 50. Thronjubiläum von Kaiser Franz Josef I. erhebt sich ein knapp 65 Meter hohes Riesenrad über die Baumwipfel. Die Holzwaggons am Stahlkonstrukt nehmen am 3. Juli 1897 die Fahrgeschäfte auf und werden schnell zum Liebling der Wiener.
Dabei stammt eigentlich nichts am Riesenrad aus der Stadt. Die 430 Tonnen Eisen kommen aus England, die Holzwaggons aus Ungarn, der Entwurf vom britischen Ingenieur Walter B. Basset. Seine Pläne hält der städtische Baurat zunächst für einen Aprilscherz. Erst nach ausgiebiger Prüfung wird der Bau des "senkrechten Karussells" mit seinen 30 Gondeln genehmigt.
Pferd auf dem Dach
Wer sich in die Waggons wagt, erlebt im Aufstieg einen atemberaubenden Panoramablick: Stephansdom, Donau und Prater. Dafür müssen Besucher am Eröffnungstag stolze acht Gulden bezahlen, ein Beamter trägt da gerade einmal 30 Gulden im Monat nach Hause.
Später wird der Preis gesenkt. Nun wollen die Massen in die Lüfte steigen, aber nicht jeder bleibt im Waggon. 1898 hängt sich eine Wienerin während der Fahrt aus dem Fenster, angeblich um auf die "soziale Not" hinzuweisen. Eine Zirkusdirektorin dreht 1914 mit ihrem Pferd auf dem Waggondach stehend eine Runde.
Abrissgenehmigung und "Arisierung"
Dann verblasst das Interesse, eine 1916 erteilte Abrissgenehmigung wird jedoch aus Geldmangel nie ausgeführt. So bleibt es dem Prater erhalten und zum geschichtsträchtigen Zeugen des 20. Jahrhunderts. Das Riesenrad überdauert seine "Arisierung" - der jüdische Eigentümer Eduard Steiner wird enteignet und im Konzentrationslager ermordet.
Nach einem großen Feuer 1944 bleibt nur das Stahlgerippe übrig, was die Wiener aber nach Kriegsende schnell wieder sanieren - als Zeichen des Wiederaufbaus für die Bevölkerung. Aus Kostengründen aber nur noch mit der Hälfte der Waggons.
Nach alten Plänen, aber mit Komfort
Nun entdeckt auch Hollywood die schwebenden Waggons: Im Kinoklassiker "Der dritte Mann" nutzt Orson Welles 1949 das Riesenrad zu einem konspirativen Treffen und verschafft ihm neuen Glanz. Auch James Bond dreht 1987 in "Der Hauch des Todes" eine Runde, wofür das Riesenrad immerhin drei Tage gesperrt werden muss.
Zum 250. Praterjubiläum 2016 wird der Riese noch einmal mit neuen Gondeln aufgehübscht. Die Holzwaggons werden nach den Originalplänen von 1896/97 gebaut - nur mit Heizung und Klimaanlage.
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