Als der 18-jährige Franz Joseph 1848 seinen geistesschwachen Onkel auf dem Kaiserthron in Wien ablöst, muss er gleich mit zwei Revolutionen fertig werden: der bürgerlichen in Österreich und der nationalistischen in Ungarn. Dort lässt er jeden Aufstand von seinem Feldmarschall Josef Wenzel Radetzky brutal unterdrücken.
Die Befriedungsstrategie: Viele ungarische Adelige werden hingerichtet, die ungarischen Bauern jedoch befreit Franz Joseph I. von oben. Daraufhin wächst die Wirtschaft rasant. Dennoch bleibt die Lage schwierig für ein Staatswesen, in dem 14 Völker leben - von Tschechen im Norden bis zu Bosniaken im Süden, von Tirolern im Westen bis zu Rumänen im Osten.
Verhandlungen mit Ungarn
Aber als Österreich 1866 bei Königgrätz den Krieg gegen Preußen verliert, erstarkt die ungarische Opposition wieder gegen den angeschlagenen Kaiser. Das motiviert seine bislang politisch wenig interessierte Frau Elisabeth, genannt Sisi, aktiv zu werden. Sie reist nach Budapest und verhandelt sogar mit Gyula Graf Andrássy. Dieser war von Franz Joseph nach der Revolution zum Tode verurteilt worden und lebte zeitweise im Exil in Paris.
Sisi erreicht, dass Franz Joseph einen historischen Kompromiss eingeht: Österreich und Ungarn beschließen gemeinsam eine neue Staatsform. Beide sind selbstständige Monarchien, bleiben aber in Personalunion vereint. Österreichs Kaiser ist gleichzeitig auch König von Ungarn. Gemeinsam haben beide Länder nur die Armee, die Außenpolitik und die Finanzen für diese beiden Bereiche. Eine Währungs- und eine Zollunion werden vereinbart. Alle zehn Jahre müssen die Verträge erneuert werden.
Sisi in einer gläsernen Kutsche
Am 8. Juni 1867, dem Tag der königlichen Krönung des Herrscherpaares, hat Sisi den Auftritt ihres Lebens: Acht Schimmel ziehen ihre gläserne Kutsche durch Budapest. "Das Erscheinen der Königin rief hier an heiliger Stätte einen tiefen und heiligen Eindruck hervor", schreibt die deutschsprachige liberale Zeitung "Pester Lloyd" über den Auftritt Elisabeths.
Franz Joseph bleibt nichts erspart. Er muss auf die ungarische Verfassung schwören. Die Krone setzt ihm, zusammen mit Ungarns katholischem Primas, ausgerechnet Graf Andrássy auf. Vier Tage später, am 12. Juni 1867, tritt die staatliche Neuordnung in Kraft. Aus dem Kaisertum Österreich wird die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie.
Landesteile unterschiedlich regiert
Das neue Konstrukt ist kompliziert aufgebaut. Die meisten Institutionen gibt es dreifach - wie zum Beispiel drei Finanzminister: einen "k.k." (kaiserlich-königlichen) für Österreich, einen "k." (königlichen) für Ungarn sowie einen "k.u.k." (kaiserlichen und königlichen) für beide Reichsteile.
Die Ungarn fahren einen harten Kurs. Sie stellen zwar nur etwa die Hälfte der Bevölkerung, besetzen aber im Parlament - aufgrund des auf sie zugeschnittenen Wahlrechts - fast alle Sitze. Sie wollen binnen 40 Jahren aus allen Einwohnern Ungarn machen. An den Schulen ist darum Ungarisch auch in den Pausen Pflicht.
Im österreichischen Teil geht es liberaler zu. Dort gibt es sogar Höhere Schulen, an denen in nichtdeutschen Sprachen unterrichtet wird. Im Parlament geraten die Deutschsprachigen am Ende in die Minderheit.
Zwei Thronfolger sterben
Die Doppelmonarchie ist nach Russland der zweitgrößte Flächenstaat Europas. Wirtschaftlich geht es gut voran. Das Reich ist schuldenfrei. An die Zerschlagung des Staates denken nur wenige Nationalisten, der Kaiser ist populär. Aber alle Minderheiten kämpfen ständig um mehr Macht für sich. Obwohl der Bevölkerungsanteil der Slawen höher ist, als der von Deutschstämmigen und Ungarn zusammen, erhalten sie keine Autonomie.
Der Regentenfamilie bleibt nichts erspart: Sisi wird 1898 von einem italienischen Anarchisten ermordet. Der erste Thronfolger, Kronprinz Rudolf, hatte sich bereits 1889 das Leben genommen, den zweiten, Erzherzog Franz Ferdinand, erschießt 1914 ein serbischer Nationalist in Sarajewo. Das Attentat löst den Ersten Weltkrieg aus. Das Ende der Doppelmonarchie erlebt Kaiser Franz Joseph nicht mehr. Er stirbt Ende 1916.
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